Mein Weg zur Borderline-Diagnose

Lesezeit: 3 minuten

Wie – ich bin nicht einfach komisch? Das hat einen Namen? Es gibt also quasi einen Grund für meine komischen Gedanken und Gefühle? Wirklich? Wie geil!

Mein Weg zur Borderline-Diagnose

Genau so hat es sich angefühlt! Geil! Also – gut! Erleichternd. Wirklich. Nach dem ersten Schock jedenfalls.

Mir ging es sehr lange sehr schlecht. Über mehrere Jahre war ein großer Teil meiner Zeit und Energie darauf verwendet, mir selber zu schaden.

Es ging zwar nicht steil, aber dafür stetig und konstant nur in eine Richtung: Bergab. Wann genau der Punkt kam, an dem mir klar wurde, dass ich etwas ändern muss, kann ich nicht mehr sagen. Ob er sich über lange Zeit angeschlichen hat oder plötzlich einfach da war. Jedenfalls kam er. Und das war gut so.

Ich schaff das alleine

Meine ersten Versuche fanden alle statt, ohne fremde Hilfe in Anspruch zu nehmen. Denn das hätte das Risiko größer gemacht, dass jemand etwas mitbekommt. Und da dies ja für mich der GAU war, beschloss ich, es erstmal auf meine Weise zu versuchen.

Nach kleineren und größeren Anlaufschwierigkeiten, Rückschlägen und Richtungsänderungen hatte ich mich nach vielen Monaten tatsächlich so weit, dass ich dachte, alles hinter mit gelassen zu haben. Jedenfalls alles schlechte – das Ritzen, den ungesunden Umgang mit Alkohol und auch die depressiven Phasen.

…oder auch nicht

So kann man sich täuschen.

Nachdem es knapp ein halbes Jahr gut lief, so richtig gut und rund, erwischte mich das nächste Loch dafür umso härter, war tiefer als je zu vor. Alle die Arbeit, Kraft und Energie die ich in mich selber gesteckt hatte, um auf ein wie ich dachte gesundes Niveau zu kommen, wurden innerhalb von wenigen Tagen, eigentlich Stunden über den Haufen geworden. 

Ich fiel ohne Übergang direkt in alte Muster. Das volle Programm. Vielleicht könnt ihr euch vorstellen, dass diese Erfahrung meine Hoffnung auf Besserung, mein Selbstbewusstsein und meine Vorsätze zunichte machte,

Mein Glück war wohl, dass ich während meiner „guten Zeit“ dem Frieden schon nicht so ganz über den Weg getraut hatte. Irgendwie habe ich gemerkt, dass es da Sachen gibt, die ich alleine nicht auf die Reihe bekomme. Und hatte beschlossen, mich in professionelle therapeutische Hände zu begeben.

Wer suchet der suchet

Wie das so ist mit den Therapeuten – den oder die einen zu finden, bei dem alles passt, man sich wohl fühlt und der oder die dann auch noch in absehbarer Zeit einen Platz frei hat, gleicht einer XXXXXL-Version der Reise nach Jerusalem. Nach ein paar Fehlanläufen ist es mir gelungen, jemanden zu finden, bei dem fast alle Punkte zutrafen. Nur das mit den regelmäßigen Terminen würde erst im Herbst etwas werden. Zu dem Zeitpunkt war es Frühsommer. Nun gut, das schaffe ich jetzt auch noch.

Zwischendrin so gute Phasen gehabt, dass wieder Zweifel an der ganzen Unternehmung aufkamen. Brauche ich das wirklich? Passt doch eigentlich grad alles. Und da war er wieder einmal, der liebe Pustekuchen – wie sich bald herausstellen würde.

Dann der lang ersehnte Urlaub: zwei Wochen Kroatien. Erste Woche um den Segelschein zu machen, zweite Woche um mit unserem VW-Bus noch ein bisschen durchs Land zu fahren. Oh mein Gott, es war so schön! Das Segeln, die Truppe, die Stimmung, das Wetter – ich war so glücklich. Und dann die Zeit zu zweit – tolle Orte, viel Zeit füreinander. Selbst wenn ich das hier schreibe wird der Glücksball in meinem Bauch größer. Wenn da nicht der bittere Nachgeschmack gewesen wäre.

Der kurze Weg ins Loch

Offensichtlich war das alles zu viel. Des Guten. Des Glücks. Der geilen Zeit. Sehr kurz nach unserer Rückkehr war ich am Ende. Nichts ging mehr. Es hat mich wahrscheinlich gerettet, dass genau jetzt meine regelmäßigen Termine bei meiner Therapeutin losgingen.

Es dauerte nicht lange bis das Wort Borderline das erste Mal ausgesprochen wurde. Erst: Schock. Fassungslosigkeit. Das kann doch nicht wahr sein!!! Dann: Ich will mehr darüber wissen. Also, Buch gekauft. Und schließlich: Erleichterung. Ein unfassbares Gefühl. Anderen Menschen da draußen geht es genau so wie mir! Meine komischen Gedanken, Gefühle, Angewohnheiten und Erlebnisse – ich bin nicht alleine. Mein Komisch-Sein hat einen Namen. Anderen da draußen geht es genau so wie mir! Unfassbar! Unglaublich!

Genau so hat es sich für mich angefühlt.

Diese gesammelten Erlebnisse haben zu der Entscheidung geführt, eine stationäre Therapie zu machen. Ich habe gemerkt: damit sich wirklich etwas ändert, damit ich mich ändere, muss sich alles ändern. Ich kann nicht weiter in meinem Umfeld, meinem Alltag und meiner Routine bleiben, wenn ich nicht wieder einer Pseudo-Genesung aufsitzen möchte.

Überraschungsgast Depression

Lesezeit: 4 minuten

Hallo Depression! Dich hab ich ja lange nicht gesehen. Ist ja wirklich nett, dass du mal wieder vorbeischaust. Aber eigentlich hab ich gerade gar keine Zeit.

Überraschungsgast Depression

Wow! Nächste Woche ist es soweit. traveling | the | borderline geht endlich online. Ich habe heute überraschend frei. Eigentlich bräuchte ich jede Minute um an den letzten (und vorletzten und eigentlich noch in Rohform vorhandenen) Dingen auf der Seite zu arbeiten. Aber heute ist nicht so mein Tag. Die Motivation ist weg. Dafür ist die Depression da. Gestern stand sie überraschend vor der Tür. Damit hatte ich nicht gerechnet. Vor allem, da sie in den letzten Wochen und Monaten das Interesse an mir verloren zu haben schien.

Aus der Energie und Vorfreude, die mich die lezten Tage, Woche und Monaten angetrieben hat, ist eine große Schwere geworden. Jede Bewegung, jede kleine und kleinste Handlung, verlangt mir Kraft ab, die sonst für einen Halbmarathon reichen würde. Den ich letztes Wochenende erst gelaufen bin. Und der gleiche Körper hängt jetzt auf der Couch und will genau dort auch für immer bleiben.

Update eine Woche später:

Das kam überraschend. Zu mehr als den Worten oben hat es am Anreisetag der Depression nicht mehr gereicht. Dafür möchte ich jetzt noch ein paar Sätze schreiben.

Erstmal, für alle, die es noch nicht wissen: Ja, Borderline und ich haben noch eine dritte Mitbewohnerin. Sie heißt Depression. Sie ist ein eher anstrengender Hausgast. Mal lässt sie sich wochenlang nicht blicken, und dann nistet sie sich wieder hartnäckig auf der Couch ein.

Dass es sich bei mir offiziell um eine Depression handelt, weiß ich erst seit meiner Zeit in Hamburg. Klar, gerade in der Pubertät hatte ich Phasen, in denen es mir richtig schlecht geht. Das volle Programm, Selbstmordgedanken, Hoffnungslosigkeit und Motivationskrater. Aber diese Phasen sind auch immer wieder vorbeigegangen. Also konnte es sich in meinen Augen nicht um eine „richtige“ Depression handeln. Dafür ging es mir ja viel zu gut. Was ein Irrtum.

Depression? Ich doch nicht!

Vielleicht habe ich die Depression auch einfach nicht offiziell einziehen lassen. Mein oberstes Gebot für viele Jahre war nun mal „Niemand soll merken, dass es mir schlecht geht. Dass ich kaputt bin.“ Vor allem habe ich das gemacht, um meine Mutter zu beschützen. Sie hatte schon genug mit der Krankheit meines Vaters zu kämpfen. Da wollte ich ihr nicht noch mehr Sorgen machen. Also alles dafür getan, damit das Bild der fröhlichen, aktiven und klingelnden Dommi das einzige bleibt, was die Leute kennen und sehen.

Irgendwie bin ich heute dankbar dafür, dass ich diese Art von Über-Ich hatte und habe. Es hat dazu geführt, dass ich nie Sachen gemacht habe, die mir wirklich Ärger oder ernsthafte negative Konsequenzen beschert hätten. Klar, Dummheiten habe ich gemacht. Aber damit alles am Laufen blieb musste ich das Ruder immer in der Hand behalten. Wie gesagt, Leitmotiv „Niemand darf mitbekommen, wie sehr ich jeden Tag kämpfe.“

Hat funktioniert. Die depressiven Phasen waren und sind da. Aber es gab immer wieder einen Grund, der meinen Hintern in die Luft gebracht hat. Tagelang nicht zur Schule/Arbeit/Uni gehen? No way – fällt auf, gibt Fragen. Nichts essen, nicht duschen, nur trinken? Geht, aber nicht zu lange. Sonst: Fragen.

Lieber Schein als Sein

Und wenn Fragen von anderen oder Sorgen um die eigene Person das Eine sind, was man vermeiden möchte, dann mobilisert man Kräfte. Ich wollte alles, was in diese Richtung ging, so sehr vermeiden, dass ich alles, wirklich alles danach ausgerichtet habe. Das Hauptziel war, einen so gesunden und glücklichen Eindruck zu machen, dass niemand auch nur auf die Idee kommen könnte, das mit mir etwas nicht stimmt.

So habe ich es also viel Jahre geschafft, mehr oder weniger heil durchs Leben zu gehen. Schwieriger wurde es dann, als mit Abitur und dem Auszug von daheim das Korsett lockerer wurde, in dem ich mich bewegen musste. Mit der Zeit habe ich gelernt, dass genau diese Struktur mir auch wirklich geholfen hat. Und dass Tage oder Phasen, an denen ich keine Verpflichtungen, Aufgaben oder Termine habe, für mich gefährlich sein können.

Zurück zum Heute

Für den Moment bleibt es bei diesem kurzen Ausflug in die Geschichte von mir und meiner Depression. Was aber war dieses Mal der Auslöser? Beim nächsten Termin bei meiner Therapeutin sind wir darauf gekommen, dass es mittlerweile Dinge in meinem Leben gibt, die mich im Lot halten. Die dafür Sorgen, dass ich bei mir bin und nicht aus der Bahn geworfen werde.

Das sind vor allem 5 Dinge:

  Meditation, Yoga und Achtsamkeit

  Sport bzw. Bewegung generell

  gesunde Ernährung, dazu gehört auch kein oder wenig Alkohol

  genug Schlaf

  Zeit für mich

Wie ich inzwischen weiß, kommen alle diese Aspekte auch in verschiedenen Modulen der DBT vor, aber dazu später mehr.

Der Zug ist entgleist

Normalerweise schaffe ich es, all das in meinen Alltag einzubauen. Manche schütteln den Kopf über die Sturheit und Disziplin mit der ich zum Beispiel Sport treibe. Aber ich habe in den letzten Monaten nun mal gelernt, dass er wichtig für mich ist. Nicht umsonst wird regelmäßige Bewegung immer wieder als das wirksamere Antidepressivum betitelt.

Nun kam es also, dass ich durch verschiedene Umstände ein bisschen von meinem Kurs abgekommen bin. Mein Zug ist quasi vom Gleis gerutscht. An zu vielen Tagen hintereinander haben ein oder mehrere Bereiche gelitten. Und das war nicht gut. Dazu kam noch, dass ich ein paar Tage weg war. In den Bergen – was ich Liebe. Dann musste ich von den Bergen weg – was ich hasse. 

Alles in allem also leider ein ungute Kombination für mich. Aber: durch die Arbeit und damit wieder einem äußeren Rhythmus kam der Zug langsam wieder aufs Gleis. Ich habe meine Routine wieder aufgenommen und sitze wieder im Führerhäuschen.

Schön war es nicht. Aber ich versuche, weiter draus zu lernen. Ganz vermeiden werde ich solche depressiven Phasen wohl nicht. Aber ich kann daran arbeiten, dass sie weniger werden. Und ich besser drauf vorbereitet bin. Indem ich auf mich aufpasse.

Von der Idee zur Seite

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Was fliegt denn da durchs Netz? Ist es eine Info-Seite über Borderline? Nö. Ist es ein Reiseblog? – Nein. Ist es ein interessanter Alltagsblog? – Nope. | Es ist alles zusammen! =)

Von der Idee zur Seite

Bald geht traveling | the | borderline endlich online, Grund genug mal ein paar Gedanken dazu aufzuschreiben, wie es eigentlich so weit kam.


Damals und heute

Die Idee, einen eigenen Blog zu machen, drehte schon lange ihre Runden in meinem Kopf. Und das sehr fleißig und ausdauernd.

Hab wohl damals Blut geleckt, als ich bei meinem einjährigen Aufenthalt in Neuseeland mein Tagebuch für alle Daheimgebliebenen online zugänglich gemacht habe. Damals war der Antrieb, nicht jedem Menschen zu Hause einzeln schreiben und berichten zu müssen / wollen, was gerade so passiert. Eher eine praktische Angelegenheit also.

Diesmal ist die Idee ein bisschen anders gewesen: Ich will Schreiben. Und ich will Reisen. Was macht man also heutzutage? Man startet einen Blog. Da draußen gibt es schon ein paar. Für andere vielleicht ein Grund, es doch zu lassen. Für mich eher ein Grund, es erst recht zu machen. Oder zwei Gründe: So schwer kann es also nicht sein. Und es gibt einfach mehr Blogs, die ich nicht lesenswert oder interessant finde, als solche, die mich zum Lesen und dran bleiben motivieren. Vielleicht geht es anderen ja genau so?

Nische gefunden!

Ein Reiseblog war also irgendwie Ausgangspunkt der ganzen Geschichte. Über die letzten Monate kam dann aber eben nun mal noch ein weiteres Thema dazu, das ziemlich viel Platz in meinem Leben beansprucht. Borderline.

Borderline-Blogs gibt es. Die sind aber ganz schön oft ganz schön negativ. So zum Leben generell. Und auch beim Thema BPD. Reise-Blogs gibt es auch, quasi wie Sand im Internetmeer. Aber die sind oft so normal. Im Kopf und auf der Reise.

Ganz alleine bin ich dann aber nicht auf die fertige Idee gekommen. Lange war das ganze Konzept in meinem Kopf nicht rund. Ich habe die beiden Themen einfach nicht zusammen bekommen. Die Lösung waren dann einerseits und lustigerweise die Idee zu THE | trip, als auch ein Seminar, welches ich bei der Akademie der Bayerischen Presse (abp) absolviert habe: der Abflugtermin stand fest. Ich würde definitiv für vier Monate auf Reisen sein. Egal, was für einen Blog ich also machen würde, er würde zwangsläufig AUCH zu einem Reiseblog werden!

Hab ich da vielleicht eine Nische gefunden? Die Nische ist ein Rat, über den man beim Nachdenken über einen neuen Blog immer gestoßen wird. Von Seminarleitern, erfolgreichen Bloggern und Buchautoren. Such dir eine Nische in der großen weiten Welt des Internets, die noch nicht besetzt ist. Dann hast du eine Chance in der Online-Evolution überleben zu dürfen.

Also einen Seite über Borderline, die nicht traurig und voller Tränen ist, sondern voller Leben? Die Mut macht, aufklärt und unterhält? Darauf ein Blog über meinen Alltag, der sich viel um das Thema Reisen dreht, also irgendwie ein Reiseblog ist. Aber der eben auch tiefer geht? Find ich gut! Das wird probiert!

Und genau deswegen sitzt du nun vor dieser Seite. Das ist die Geschichte hinter traveling | the | borderline. Der Name sagt und liest sich heute so leicht. Aber auch das war eine schwere Geburt. Dafür bin ich heute immer noch jedes Mal glücklich, wenn ich ihn denke, lese, schreibe oder sage.

Zukunftsmusik?

Was während und nach den vier Monaten passiert – ich weiß es einfach nicht! Und das ist gut so. Ich kann mir alles vorstellen. Oder vieles. Nur nicht, dass ich irgendetwas von dem, was ich gerade ans Laufen bringe, bereuen werde.

Während der Entstehung dieser Seite habe ich vor allem eines gelernt: irgendwann muss man einfach machen. Ein schönes Zitat dazu: „Ein Gramm Praxis ist besser als eine Tonne Theorie.“ Irgendwann reicht es einfach nicht mehr, nur zu planen und zu träumen. Wenn ich darauf gewartet hätte, dass diese Seite vom ersten Tag an perfekt ist und ich an alles gedacht habe – dann siehe den Text auf der Startseite. Deswegen wird dieser Beitrag jetzt auch so wie er ist, veröffentlicht!

Ich bin gespannt, wie sich diese Seite entwickeln wird. Mein Durchhaltevermögen, euer Interesse, meine Erlebnisse, eure Fragen – das alles sind Variablen im Spiel mit der Zeit und der Zukunft.