Mentale Gesundheit – eine Frage des Geldes?

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Mentale Gesundheit – eine Frage des Geldes?

Ein Gast-Beitrag von Sophia Klose, Mental Health Writer & Illustrator, zurzeit in England lebend (auf Instagram als sophias_mind_adventures unterwegs). 

Ein Blogpost darüber, dass auch mentale Gesundheit kosten darf – und damit ist nicht nur Geld gemeint. Dass wir endlich die Lücke schließen müssen zwischen physischer und psychischer Gesundheit, wenn es um Investitionen geht. Und darum, wie das aussehen kann.


Disclaimer: Ich schreibe diesen Blog für die Mental Health Crowd aus einem eigenen Impuls heraus. Es ist gewissermaßen ein freundlicher “Denkzettel” an mich selbst. Viel zu lange habe ich selbst immer wieder gezögert, in meine psychische Gesundheit zu investieren. Darum ist das nun quasi ein öffentliches Bekenntnis: ich will und werde in Zukunft mehr für meine Psyche tun.  

„Mark my words (and perhaps remind me every now and then)!” 


Wie viel Zeit, Geld und Liebe habe ich heute / diese Woche / diesen Monat / dieses Jahr / mein bisheriges Leben in meine mentale Gesundheit investiert? Und wie steht das im Verhältnis zu dem, was ich bewusst für meine körperliche Gesundheit getan habe?  

Meine persönliche Antwort auf diese Frage? Ist wohl das Emoji mit den geweiteten Augen und den unübersehbar erröteten Wangen. Ja, dieses Scham-Smiley: ? Wobei… es smiled ja eigentlich nicht. Vielmehr ist der Mund ein ziemlich betretener, waagerechter Strich. 

Natürlich gibt es bei körperlicher und geistiger Gesundheit viele Überschneidungen. Was der einen Gesundheit gut tut, stärkt oftmals praktischerweise auch die andere. Worüber ich hier schreiben möchte, ist vor allem die Frage der Intention. Habe ich mir den leckeren (aber etwas teuren) Joghurt mit Walnüssen und Blaubeeren gerade gemacht, weil ich weiß, das ist gutes “brain food” oder weil schon wieder lange vor der Mittagspause mein Magen knurrt? Bei mir ist es in 99% der Fälle wohl immer noch eine klare Bauchentscheidung. Die Intention: meinen Hunger stillen. An meine geistige Gesundheit denke ich beim Essen immer noch sehr wenig. Auch wenn es zum Thema Ernährung und mental health mittlerweile viele interessante Studien gibt. 

Eine kleine Anekdote

Wenn man die eigene psychische Gesundheit eine längere Zeit vernachlässigt, beschwert sie sich irgendwann. Und das nicht immer auf die netteste Art und Weise. Pünktlich zum Jahresanfang 2021 musste ich zum zweiten Mal in sechs Monaten meine berufliche Karriere auf Eis legen.

Beim ersten Mal war es eine Covid-19 bedingte Entlassung gemeinsam mit vielen anderen Kollegen. Beim zweiten Mal war es eine bewusste Entscheidung für meine geistige Gesundheit, die sich mit immer häufiger auftretenden Panikattacken bei mir Gehör zu verschaffen versuchte  – „zufällig“ genau immer morgens vor Arbeitsbeginn. Das ging schon ein paar Monate so.

Im Januar war es dann höchste Zeit, die Notbremse zu ziehen. Trotz mangelnden Plan Bs und dem unbequemen Gedanken, dass eine globale Pandemie wohl die schlechteste Zeit ist, um einen sicheren Job aufzugeben, waren Angst und Panik nach der Kündigung zumindest kurzzeitig weg und es stellte sich eine stille Erleichterung ein. Bevor dann der Selbstzweifel in Form von sehr aggressiven, fiesen, (selbst-)verletzenden Vorwürfen ankam. Kostprobe gefällig?  

“Sophia, du [hier Ausdruck einfügen]! What the f*** are you doing? Wer hat dir erlaubt hier einfach mal auf arbeitslos zu machen? Wie willst du das vor deinen Eltern, Freunden, Nachbarn erklären? So und jetzt heulst du natürlich wieder!”  

Sophia und der innere Prolet… oder Prophet? 

Das zweite Mal in meinem Leben war eine (privat finanzierte) Gesprächstherapie dringend erforderlich. Und dieses Mal, trotz der finanziellen Unsicherheit, habe ich nicht erst mehrere Monate überlegt, ob ich mir das leisten kann und darf.  

Schon nach ein paar Sitzungen waren meine Proleten-Selbstzweifel etwas weniger laut. Es gab die prophetische Erkenntnis: so will ich eigentlich nicht weiterleben. Ich würde gern netter zu mir sein. Diese ganze Selbstzerfleischung ist echt anstrengend! Da kam ich auf die Idee, mal wieder beim BERG & MENTAL Online Shop reinzuschauen. Während des ersten Lockdowns im Mäz 2020 hatte ich da einen sehr inspirierenden Vortrag zum Thema “Resilienz” (unsere psychische Widerstandsfähigkeit) entdeckt und sofort gebucht. Gibt es also vielleicht wieder irgendein “Ding” oder eine “Veranstaltung”, dass / die meiner Psyche jetzt guttun könnte? 

Was in mir innerlich sofort eine Saite zum Klingen gebracht hat, war ein Selbstmitgefühl-Kurs. Nur der Preis von 199 Euro, hat dann diese schöne, stimmige Melodie recht schnell zum Verstummen gebracht. Und überhaupt: sollte ich Selbstmitgefühl im Alter von 30 Jahren nicht schon längst gelernt haben?! Side Note: zur selben Zeit spielte ich mit dem Gedanken, mir ein paar schicke neue Sportschuhe zu kaufen, die preislich gut mit dem Selbstmitgefühl-Kurs mithalten konnten, aber um einiges weniger Grübeleien verursacht haben… 

Geld oder Leben?

Dann habe ich das mal durchgerechnet: Für 6 Termine betreut durch eine Therapeutin war das ein total fairer Deal. Zum Glück war es auch noch nicht zu spät zum Buchen. Ich machte die Überweisung und fühlte mich danach so “smug” (wie die Engländer sagen)  so selbstzufrieden  wie lange nicht mehr. Gern hätte ich ein Live-Interview bei BBC News gegeben:  

“Schaut her, ich habe gerade richtig viel Geld für diesen Kurs bezahlt  und das alles für meine geistige Gesundheit, von der ich bis zu meinem 26. Lebensjahr nicht mal wusste, dass sie existiert. Toll, nicht wahr?”  

Leider ist dieses Interview nicht zustande gekommen. Also habe ich dann selbst auf Instagram eine Story mit einem tanzenden Kermit-Frosch gepostet um meiner Freude Ausdruck zu verleihen. 

Ein paar Tage später: “Liebe Sophia, es tut uns so leid, aber du warst die Einzige, die diesen Kurs gebucht hat. Darum findet er jetzt erst mal nicht statt. Vielleicht im Herbst dann.” Was?! Diese Nachricht vom BERG & MENTAL hat mich erschüttert. Sollten solche Kurse nicht gerade Hochkonjunktur haben? Klar, dass man mittlerweile das Online-Format ein bisschen satt hat, wäre für mich ein nachvollziehbares Argument. Auch, dass man in dieser schwierigen Zeit  einen enger geschnürten Geldbeutel hat. 

Aber aufgrund meiner eigenen, hier geschilderten Erfahrungen habe ich auch ein bisschen das Gefühl: es ist in unserer Gesellschaft vielleicht einfach noch nicht “normal” genug, dass man auch größere Investitionen in seine geistige Gesundheit macht. Vor allem nicht erst dann, wenn man schon weit draußen im schwarzen Meer aus Depression, Angst und Co treibt. 

Balance finden

Darum eben auch dieser Blogbeitrag für Euch. Wenn es eine Zeit gibt, in der man sich umso mehr um seine mentale Gesundheit kümmern sollte – nicht zuletzt, um auch anderen Menschen seelische Unterstützung geben zu können – dann ist das wohl JETZT in dieser immer noch andauernden Chaos-Pandemie. 

Es geht dabei nicht darum, Euch jetzt ein schlechtes Gewissen zu machen. Ich sage auch nicht: los Leute, kauft alles, was ihr im Berg & Mental Shop virtuell kriegen könnt. Wobei… doch, das möchte ich schon sagen, denn Deutschlands erstes Mental Health Cafe kämpft bekanntlich immer noch um seine Existenz. Also bitte schon mal schnell einen neuen Browser-Tab öffnen! ;) 

Was ich im Folgenden vorschlagen möchte, ist die Idee, eine bessere Balance zu finden zwischen den Investitionen, die man für den Körper und für die Seele tätigt. Denn beides zusammen ist ein großer Schatz, den es wie ein Drache zu hüten gilt (in unserem hektischen Alltag oft leichter gesagt als getan). 

Reminder-Liste

Um dieses neue Bewusstsein zu schaffen,  habe ich für mich selbst die folgende Liste mit (sehr subjektiv gewählten) Vergleichen aufgestellt. Das soll mir helfen, mich immer mal wieder zu fragen und zu erinnern: Was stärkt meinen Körper und was tut meiner Seele gut? Wo gibt es Überschneidungen? Warum lohnt es sich, sowohl in die eine als auch in die andere Gesundheit zu investieren? Was genau hat man von den einzelnen Investitionen? Da ich ein visuell lernender Mensch bin, werde ich mir das vielleicht sogar noch auf einer Pinterest Pinnwand verbildlichen. 

 GUT FÜR DEN KÖRPER    GUT FÜR DIE PSYCHE  
Fitnessstudio-Mitgliedschaft  Ohne Frage eine große Investition (Zeit und Geld). Es ist nicht immer leicht, die Sache durchzuziehen. An manchen Tagen will man lieber auf der Couch sitzen und Chips essen. Es kann viel negative Energie abbauen, aber man muss dafür eben auch richtig was tun. Wer am Ball bleibt, kann langfristig tolle Erfolgserlebnisse haben. Man spürt sich wieder mehr. Man wird sowohl innerlich als auch äußerlich stärker und ausgeglichener. Hin und wieder hat man ziemlich Muskelkater, aber das ist ein gutes Zeichen – der Körper arbeitet, neue Muskeln bauen sich auf. Manchmal wird man auch ein paar überflüssige Pfunde los (but no pressure, please!).  Therapie-Stunden  Ohne Frage eine große Investition (Zeit und oft Geld). Es ist nicht immer leicht, die Sache durchzuziehen. An manchen Tagen will man lieber auf der Couch sitzen und Chips essen. Es kann viel negative Energie abbauen, aber man muss dafür eben auch richtig was tun. Wer am Ball bleibt, kann langfristig tolle Erfolgserlebnisse haben. Man spürt sich wieder mehr. Man wird vor allem innerlich stärker, aber das kann dann oft auch von außen bemerkt werden. Hin und wieder kommen schmerzhafte Erinnerungen und Gedanken hoch. Das erschöpfte Gefühl nach einer besonders intensiven Therapiestunde könnte man als “Seelenkater” bezeichnen. Das ist aber meist gut: man wächst und verändert sich. Man wirft seelischen Ballast ab.  
Hippe neue Kochbox (alles Bio-Qualität!)  Inspiration mal was Neues auszuprobieren, man muss ein bisschen Zeit zum Ausprobieren einplanen, tolles Erlebnis für alle Sinne und vor allem für den Magen.  Mental Health Rocks Box  (mit viel Liebe zusammengestellt) oder die BuddyBox  Inspiration mal was Neues auszuprobieren, man muss ein bisschen Zeit zum Ausprobieren einplanen, tolles Erlebnis für alle Sinne und vor allem für die Psyche.  
Full Body Massage  Löst Verkrampfungen und Verknotungen im Körper. Man fühlt sich danach leichter und vor allem gut durchgeknetet. „Hey, ich war letztens 15 Minuten Joggen, jetzt habe ich mir aber wirklich eine gute Massage verdient. Preis ist dreistellig? Egal!“Gutes Buch über Mental Health   Löst Verkrampfungen und Verknotungen im Gehirn (vor allem gesellschaftliche Stigmata). Man fühlt sich danach weniger allein, versteht mehr über sich selbst und andere.  Meine ganz persönliche Empfehlung: alle Bücher von Matt Haig oder vielleicht das schöne Bilderbuch “Mein Schwarzer Hund” von Matthew Johnstone   
Neue Hautpflegecreme  (mit Anti-Ageing Effekt!)  Pflegt und verwöhnt hauptsächlich die Haut. Beugt Falten vor und wenn man beide Augen schließt und ganz fest dran glaubt, verschwinden auch die schon existierenden Falten. Wer will schon alt aussehen!  Aromaspray  (z.B. von Mirins Copenhagen)  Pflegt und verwöhnt Geist und Körper, also zwei in eins! “Ganz schön dufte!” Ultimative Self-Care! Wenn man beide Augen schließt und den beruhigenden Duft von Lavendel einatmet, verschwinden die Sorgenfalten im Nu!  
Protein-Schokoriegel mit echten Kakaobohnensplittern  Energy Boost mit wenig Aufwand, kostengünstig. Setzt Endorphine frei, man fühlt sich wenigstens einen kurzen Moment lang “energised”. Das Erlebnis kann noch schöner sein, wenn man es mit jemandem teilt.  Eine schöne Postkarte schreiben   Happiness Boost mit wenig Aufwand, kostengünstig. Setzt Endorphine frei, man fühlt sich wenigstens einen kurzen Moment lang happy. Das Erlebnis kann noch schöner sein, wenn man es mit jemandem teilt.  

Wie man hier sieht, gibt es wirklich viele schöne Dinge, die sowohl dem Körper als auch der Psyche gut tun. Es liegt an uns selbst, eine gute Balance zu finden zwischen dem kleinen und großen Vergnügen oder auch den vielleicht notwendigen Investitionen, die man bewusst für die körperliche und / oder für die seelische Gesundheit tut.  

Mehr als „nur“ Geld

Manchmal kostet es kein Geld, sondern nur ein bisschen Zeit: ein Spaziergang im Grünen. Auch wenn viel los ist: einen Moment lang draußen das Gesicht in die Sonne halten, bevor man wieder im Home Office verschwindet.

Einen Urlaubstag buchen und sich selbst ein kleines Entspannungsprogramm zusammenstellen.

Wieder mehr Tagebuch schreiben.

Eine gratis Meditations-App runterladen (neben Headspace gibt es eine tolle neue App, die einem auch was über Verhaltenspsychologie beibringt: Atom).

An einer Selbsthilfegruppe teilnehmen (kann vor allem bei längerfristigen Herausforderungen wie einer ernsthaften Erkrankung helfen).

Sich ein bisschen mehr Schlaf nachts oder auch mal tagsüber gönnen – das hilft unter anderem, die Gefühle zu regulieren.  

Investieren lohnt sich

Und am Ende meines Beitrags, habe ich noch einen Vorschlag: Einfach heute schon mal anfangen, ein paar Ideen zu sammeln. In dem neuen Tab könntet ihr jetzt zum Beispiel die Adresse von der Mental Health Crowd speichern: www.mentalhealthcrowd.de (falls ihr das nicht schon getan habt ?). 

Wie könntet ihr eurer Seele etwas Gutes tun? Ist es nach all dem Corona-Stress vielleicht angebracht, mal wieder eine größere Investition zu tätigen? Es lohnt sich, einmal aufzuschreiben, was man im Alltag bereits bewusst für die Psyche tut. Wie bei der körperlichen Gesundheit geht es mehr um Regelmäßigkeit statt um die Dauer der Aktivität oder Entspannung.  

Zum Beispiel: einen 15-minütigen Spaziergang nach der Arbeit einplanen – jeden Tag. Die Routine macht es mit der Zeit einfacher und “normaler”, sich aktiv um das eigene Seelenwohl zu kümmern. Zu den bereits existierenden Dingen kann man nach und nach ein paar neue Ideen hinzufügen. Da merkt man dann auch: mental health kann durchaus Spaß machen! Wer lernt nicht gern etwas Neues, womit man dann beim nächsten Zoom Smalltalk ganz beiläufig angeben kann? 

In diesem Sinne: zögert bitte nicht zu investieren – ob kleines oder großes Investment: Zeit, Geld, Liebe… Hauptsache immer mal wieder auch ein bisschen an die eigene Psyche denken. Oder jemand anderem ein Mental Health-Geschenk machen. Hatte ich schon erwähnt, wo man da am besten fündig wird? =)

Bye for now! 


Gedanken dazu von Dominique

Dieser Beitrag entstand sozusagen ohne mein Zutun =) Ich hatte mitbekommen, dass Sophia etwas für uns schreiben wollte, und das Rebecca deswegen in Kontakt mit ihr war. Aber worum es in dem Beitrag gehen sollte hab ich erst erfahren, als er dann bei mir im Maileingang lag.

Erster Gedanke: die Leser werden doch alle denken, dass wir Sophia gebeten haben, so was zu schreiben damit Ihr den Guide, Bücher oder sonstiges in unserem Shop kauft – das können wir doch nicht machen.

Zweiter Gedanke: Sophia hat so recht! Und ist nicht eines unserer Ziele, den Menschen beizubringen, dass auch mentale Gesundheit etwas kosten darf?

Interessanterweise ist tatsächlich noch die weit verbreitete Meinung bzw. Erwartungshaltung, dass Angebote rund um Mental Health doch bitte kostenlos oder zumindest kostengünstig sein sollen. Und leider ist die „Mental Health Szene“ daran nicht ganz unschuldig.

Da stehen auf der einen Seite gemeinnützige Vereine und Organisationen, die mit Ehrenamtlichen, Dank Förderungen durch Krankenkassen und Co irgendwie ihre Arbeit tun können, aber auf die Gelder von außen angewiesen sind. Die sich nicht trauen, für ihr Tun Geld zu verlangen und durch diese Abhängigkeit häufig recht unflexibel sind (all das sage ich, ohne die Leistung dieser vielen Menschen und die Wichtigkeit ihrer Arbeit klein reden zu wollen – denn ohne sie würde es vielen Menschen in Deutschland, die mit psychischen Problemen zu tun haben, noch schlechter gehen).

Gesundheit – eine Frage des Geldes?

Und auf der anderen Seite finden wir teure Coaches, dubiose Angebote an den Rändern der Therapielandschaft und fragwürdige Konzepte für teures Geld, die aber trotzdem Abnehmer finden, da viele Leute einfach so verzweifelt sind und vom Versorgungssystem im Stich gelassen werden, dass sie diese Angebote annehmen.

Weil sie es sich leisten können. Denn ja: es macht einen Unterschied, ob/wie viel Geld ich habe und ob hier etwas übrig ist, das ich für meine mentale Gesundheit ausgeben kann.

Wo wir uns in diesem Land aber nicht so richtig rausreden können (jedenfalls finanziell, Versorgungslage und Wartezeiten mal kurz beiseite gelassen) ist Therapie. Deutschland ist eines der wenigen Länder, in denen Therapie in vielen Fällen von den Krankenkassen übernommen wird und man nicht selber dafür zahlen muss. Was ein Luxus!

Trotzdem müssen wir auch hier etwas aufwenden – nicht Geld, aber eben andere Ressourcen: Zeit und Energie. Und auch diese sind in unserer Gesellschaft nicht gleichmäßig verteilt, bzw. stehen im indirekten Zusammenhang mit dem finanziellen Background. Habe ich Geld, kann ich mir ein Kindermädchen leisten dass auf meine Kinder aufpasst, während ich zur Therapie gehe. Bin ich alleinerziehender Vater mit begrenzten Mitteln ist es ungleich schwieriger, kostet mehr Kraft und Aufwand, eine Therapie zu starten.

Geld = Gesundheit = Glück?

Geld und mentale Gesundheit hängen zusammen, beeinflussen einandern. Nicht unbedingt in dem Maße, dass mehr Geld gleich mehr Gesundheit gleich mehr Glück bedeutet. So einfach ist der Zusammenhang dann doch nicht.

Wenn wir über Geld, mentale Gesundheit und Prioritäten sprechen müssen wir anerkennen, dass es sich derzeit (noch) um ein Privileg handelt, sich um die eigene mentale Gesundheit kümmern zu können (das sieht bei der körperlichen Gesundheit nicht viel anders aus. Auch hier sind klare Zusammenhänge zwischen Gesundheitsstatus und sozioökonomischem Hintergrund nachweisbar).

Und ja, das ist schlimm. Denn es sollte kein Privileg, keine Frage von Glück oder Geld sein, sondern selbstverständlich und für alle im erforderlichen Maße verfügbar. Unabhängig vom Kontostand sollten alle Menschen den gleichen Zugang zu den gleichen Angeboten haben – von Prävention über Therapie.

So weit sind wir leider noch nicht.

Neben den Versuchen, das zu ändern können wir als Unternehmen derzeit also nur das Bewusstsein und die Bereitschaft bei den Menschen fördern, die Ressourcen zur Verfügung haben. Können zeigen und vorleben, dass und was man für die mentale Gesundheit alles tun kann – und was passiert, wenn wir es nicht tun.

In diesem Sinne danke ich Sophia (und Rebecca) sehr für diesen Artikel. Wir müssen dieses Problem deutlicher ansprechen – das habt Ihr hiermit getan und ich unterstütze jedes Wort.