
Bali - 1 | Ankunft in Ubud
Warum wir trotz verlorener Kreditkarte, Haus-Such-Stress und Baustelle vorm Fenster ab der 1. Minute mit einem entspannten Lächeln über die Insel gelaufen sind. Und warum mein Bali-Bild vielleicht genau so falsch war, wie euers. Und warum wir vorhaben, hier noch eine Weile zu bleiben.
Zwei Stunden auf dieser traumhaften Insel hat uns die gemeine Fluggesellschaft geklaut. Frechheit! Deswegen konnten wir auch nix sehen. Auf der Fahrt. Weil Nacht. Der Taxifahrer hat uns beide quasi also blind nach Ubud gebracht. Dieses wunderbare Städtchen gilt gemeinhin als das kulturelle Herz der Insel. Hier, fernab der Küste, umgeben von Reisfeldern kann man Bali von seiner grünen und künstlerischen Seite erleben.
Ankommen in Ubud heißt versonnen Lächeln
Mittlerweile auch ersehntes Ziel vieler Touristen hat sich die Stadt einen Charme erhalten können. Heute wird er ergänzt von einem westlich-alternativen Lebensstil. Damit meine ich zahllose Yogastudios, Heiler, vegane Cafés, Bio-Klamotten und ähnliches. Durch die Straßen laufen gleichermaßen Balinesen, asiatische Touristenguppen mit uniformen Reishüten auf ihren blassen Köpfen und eine wahre Heerschaar an Eat-Pray-Love-Damen mittleren Alters. Möge für viele von ihnen die Hoffnung in Erfüllung gehen, durch das Überstreifen eines wallenden, bunten Leinenkleides und dem fleißigen Absolvieren teurer Yogastunden alle verpassten Chancen und gemachten Fehler ihres bisherigen Lebens in die seelige Vergessenheit zu verbannen.

Das erste Frühstück auf Bali (Gott, wie toll es ist, diesen Satz auch nur zu schreiben!!!) Die Baustelle hinterm Zaun seht und hört ihr zum Glück nicht. Punkt 8 fängt der Hammer an zu Schwingen. Ausschlafen ist nich!
Vergessen habe ich auch. Und zwar meine Kreditkarte. Im Geldautomaten. Am Flughafen. Festgestellt am nächsten Morgen. Die ersten Stunden hier auf der Insel hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt. Die Folge waren zahlreiche Besuche der örtlichen Bankfiliale. Und ebenso zahlreiche Telefonate mit verschiedensten Telefonnummer. Alle Mitarbeiter waren äußerst freundlich und überaus hilfsbereit. Leider konnten sie mir aber wenig helfen. Das lag zum Einen an der doch erschwerten Kommunikation. Englisch ist zwar Weltsprache, aber hier auf der Insel noch lange keine Selbstverständlichkeit. Die Hilflosigkeit hat aber jeder einzelne mit noch einer extra Portion Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft auszugleichen versucht. So kam auf jeden Fall kein Frust auf. Auch die Hilfe unseres einheimischen Fahrers Gusti hat am Ende nichts gebracht. Also habe ich die Karte fast zwei Wochen nach Verlust dann doch sperren lassen. So lange hielt die Hoffnung, dass sie auf verschlungenen Wegen noch zu mir zurück findet. Leider war dies nicht der Fall. Aber man muss ja immer das Positive sehen: wenigstens ist meine Karte nicht in falsche Hände geraten. Keine Abbuchungen vom Konto. Sie hat wohl einfach nur ein frühes Ende in einem balinesischen Geldautomaten gesucht.
Beim Versuch, uns die Stadt zu erlaufen, kam uns das erste Mal der Gedanke, dass zu Fuß gehen hier wirklich gefährlich ist. Sogar deutlich gefährlicher, als sich ohne vorhandene Kenntnisse auf einen Scooter zu setzen. Was wir definitiv ganz bald tun müssen. Bürgersteige gibt es nur vereinzelt. Verkehrsregeln gleich gar nicht. Groß ist die Stadt nicht, aber es gibt so viel zu entdecken. Und sobald man sich von der Hauptstraße wegbewegt, muss man auch nicht mehr um sein Leben fürchten. Sondern ist sofort mitten drin im balinesischen Alltag. Egal, wo man hingeht. Von überall schauen einen entspannt lächelnde Gesichter an. Nach 15 Minuten unterwegs hatten wir uns assimiliert.
Das Nichts-Tun ist hier wahrlich noch süß. Ohne sauer-bitteren Beigeschmack wie bei uns in Deutschland. Kein Kunde da? Was macht der Balinese also? Sitzen. Gucken. Auf dem Handy wischen. Gucken. Mit dem Nachbarn plaudern. Kein aufgesetztes, beschämtes, wiederholtes Wischen über saubere Flächen. Kein verlegenes Ausschauhalten nach etwas zu tun. Wenn's grad nix gibt, dann gibt's eben grad nix. Warum nicht locker machen? Sehr beneidenswert.
- So imposant. So grün. So ruhig. Nur zu gerne hätten wir gewusst, wie der Alltag in so einem Tempel vor hundert Jahren ausgesehen hat.
- Die Anlage um den Tempel ist wunderschön angelegt. Man kann sich fallen lassen und einfach nur entspannen. Vielleicht kommen wir nochmal alleine zurück – ohne wartenden Gusti vor dem Tor.
- Eigentlich sind diese Opfergaben für die Götter gedacht. Aber vielleicht stehen diese Katzen ja in direkter Verbindung zu ihnen? Inspiziert werden muss das lustige Ding auf jeden Fall!
- Das ist nur eine von zahllosen kunstvoll angefertigten Figuren – alleine in diesem Tempel. Wie viel Zeit es wohl gekostet haben muss so was fertigzustellen?
- Beeindruckend und wunderschön ist die Anlage in jedem Fall. Wenn dann noch die Sonne so ein tolles Licht macht und der Fotograf Spaß am einfangen der Atmosphäre hat – dann kommt so ein Foto dabei heraus.
- Kaum zu glauben, aber viele Besucher waren nicht auf dem Gelände unterwegs. So konnten wir die Ruhe genießen. Um dann schnell zurück zu Gusti zu gehen =)
- Wir haben uns schon gern, wir zwei Pappnasen =)
- Man kennt die Bilder – aber wenn man dann davor steht packt einen doch das überwältigte Staunen.
- Ja, das ist A-A. Vom Luwak. Diesem katzenartigen Tier, das Kaffeebohnen isst und wieder auskackt. Und das ist dann eine Spezialität.
- Schön die Nase reinstecken, liebe Dommi. Vielleicht lernst du ja mal (und behälst) was hier was ist, wo es herkommt und wie die Pflanze aussieht. (Nein, tut sie nicht!)
- Auf der Plantage wird neben vielen einheimischen Nutzpflanzen vor allem Kaffee angebaut. Der wird dann zum Teil auch gleich hier geröstet, damit die Touris das mal sehen und probieren können.
- Nein, ich hab brav geteilt. Eine Reihe Tee, eine Reihe Kaffee. Abgefahrene Geschmacksrichtungen, tolle Farben – leckeres Zeug.
- Arvid probiert sich durch, und versucht, das wundervolle Panorama um ihn herum für einen kleinen Augenblick zu ignorieren.
- Das Kommentar von Ayu dazu: „Ginseng. It’s good. For Couples. Makes Papa strong and Mama happy.“ Mein Favorit: Coconut-Coffee. Sieger im Abgefahren-sein: Saffron-Tea.
- „Ich will wieder Berge sehen, Gandalf.“ Check! Und am Ufer dieses Sees liegt ein Dorf, in dem die Toten nicht begraben, sondern in den nahen Wald gelegt werden. Dort stolpert man also über Knochen. Steht auf unserer Liste! Wollen wir hin.
- Hier geht’s noch gemütlich zu. In der Dorfhalle wird diskutiert. Die Kinder fahren mit 8 auf dem Motorroller zur Schule. Und bei der Bank gibt’s Mikrokredite.
- Die ganze Fahrt hat uns abwechselnd durch solch pittoreske Landschaften und mindestens eben so beschauliche Dörfer gebracht. Wenn wir so oft zum staunen und fotografieren angehalten hätten, wie wir am liebsten getan hätten, dann wären wir wohl heute noch unterwegs.
- Naja, nicht die ganze Gruppe, aber wenigstens ein paar von uns hören vorbildlich zu, als Stone uns vom Leben und Arbeiten der Reisbauern erzählt.
- So stellt man sich das vor. Hoffentlich hilft es auch.
- Harte Arbeit bei praller Sonne! Zwar hat jeder Bauer seine eigenen Felder. Beim Ernten aber hilft dann die ganze Dorfgemeinschaft. Reis kann vier Mal im Jahr geerntet werden. So kommt es dann, das praktisch jede Woche ein neues Feld reif für den nächsten Anbauschritt ist. Langweilig wird den Damen also so bald nicht werden. Es ist übrigens Zufall, dass wir nur Frauen bei der Feldarbeit gesehen haben. Hier herrscht eigentlich Gleichberechtigung.
- Am anderen Ende des Feldes wird dann noch mal alles aussortiert, was nicht Reis ist. Dann wird gesiebt und abschließend in Säcke gefüllt – fertig zum Transport.
- Und das ist dann der letzte Schritt: der Reis aus den Säcken muss getrocknet werden. Das passiert einfach vor der Haustür. Vorm Tempel. An der Straße.
- Am Ende unserer Radtour hat uns nicht nur ein wirklich leckeres Essen, sondern auch eine süße Aufführung eines balinesischen Tanzes erwartet. Dass die Mädels so richtig Lust drauf hatten, haben wir ein bisschen bezweifelt. Ist vielleicht vergleichbar mit Spülmaschine ausräumen oder Müll runterbringen bei uns in Deutschland. „Muss ich wirklich, Mama?“ Die Mama hat das ganze auf jeden Fall auch ziemlich kalt gelassen. Nett war es trotzdem!
- Wo man hinschaut und sich umguckt, wo man geht und steht: überall gibt es Figuren, Tempel und religiöse Bilder zu entdecken. Bali ist eine Ausnahme in Indonesien: der Rest des Landes ist muslimisch, hier ist die Hauptreligion der Hinduismus.
- Noch haben wir nicht ganz verstanden, wofür Elefant, Tiger, Mensch & Co in Statuenform stehen. Aber wie sind dran.
Die Jagd nach dem Zuhause
Erst die Arbeit - dann das Vergnügen. Also - erst eine Unterkunft für die nächsten Wochen finden, dann weiter Ubud erkunden. Wie schon ein paar Mal geschrieben wollten wir gerne etwas länger an einem Ort bleiben. Wir haben uns erstmal gegen Ubud als Dauerbase entschieden, weil wir beide näher ans Meer wollten. Nach ein wenig Recherche hat sich ziemlich bald die Gegend um Canggu (Tschangu gesprochen) an der Süd(West)Küste der Insel auf den ersten Platz unserer Wunschliste geschoben.

Strandinspektion | Nicht nur das Haus muss gefallen - sondern auch der dazu gehörige Strand. Und das will ordentlichst überprüft werden. Mit Argusaugen!
Nahe am Meer, viele kleine Läden, aufstrebende Gastroszene - nehmen wir. Also auf airbnb ein paar schmucke Häuser ausgeguckt. Und dann hingefahren. Denn bei so einem langen Zeitraum (und daher auch viel Kohle) wollen wir uns sicher sein. Weil alles andere wenig Sinn macht, haben wir uns für einen Tag einen Fahrer genommen. Von Ubud nach Canggu sind es eigentlich nur 30 km. In Deutschland würde man dafür vielleicht 20 Minuten brauchen. Ok, je nach Verkehr auch mal 30. Hier ist es (mindestens) eine Stunde. Die Straßen. Der Verkehr. Ihr versteht. Aber da wir uns noch nicht satt sehen können an den Straßenszenen und der Natur, die am Autofenster an uns vorbei rauschen, ist das gar nicht so schlimm.
Drei Häuser haben wir uns angeschaut. Eigentlich nur ein paar Straßenzüge auseinander - aber sehr unterschiedlich. Alles "Villen". Klingt beeindruckend. Heißt aber hier: etwas größeres, und vor allem ziemlich westlich gestyltes Haus. Meistens mit Pool. Aber wir wollen nicht untertreiben: geil waren alle drei. Wir haben dann hauptsächlich nach den Menschen entschieden. Und da fiel die Wahl leicht: im letzten Haus hat uns ein spanischer Sonnenschein namens Elena erwartet. Wellenlänge? Passt! Als sie uns dann noch einen wirklich guten Deal angeboten hat, konnten wir quasi nicht mehr Nein sagen. Umzug in unser neues Domizil: Dienstag, der 24. November. Quasi ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk. Und dort werden wir also für vier Wochen bleiben.

Bintag ist wie Tempo. Wer Bier will, meint Bintang. Der Traum eines jeden Marketinexperten, wie der Reiseführer es so schön beschreibt.
Das Ganze hat zwar ein paar Stunden gedauert, aber am Nachmittag blieb trotzdem noch etwas Zeit für Sightseeing. Wenn wir schon mal einen Fahrer haben. Der hieß übrigens Gusti (das Balinesische Äquivalent zu Michael. Oder Stefan.) Inseloriginal und echt gutes Englisch. Doppelglück. Er hat uns während der ganzen Fahrt viel erklärt. Zur Kultur. Zur Religion. Zur Entwicklung der Insel. Als die Haussuche abgehakt war, haben wir also gesagt: "Gusti, zeig und was Schönes!" Und das hat er dann auch: einen riesigen hinduistischen Tempel, in dem lange die Königsfamilie gewohnt hat. Pura Taman Ayun, lautet der wohlklingende Name. Umgeben von einem breiten Wassergraben und einem riesigen Park hätten wir uns darin verlieren können.
Aber Gusti hat ja gewartet. Arvid und ich haben auf jeden Fall gemerkt, dass wir wirklich froh sind, nicht richtig reich zu sein. Wir kämen einfach nicht damit klar, dass jemand für uns arbeitet. Es war uns so unangenehm, dass Gusti immer am Auto geblieben ist, wenn wir uns die Häuser angesehen haben. Ja, es ist sein Job - aber trotzdem. Wir wollten ihn irgendwie immer nicht warten lassen. Also haben wir den Tempel zwar genossen, aber sind auch zügig wieder zum Auto zurück. Und dann auch nach Ubud.
Abwärts auf dem Fahrrad
Zwischen dem ganzen Herumlaufen in und Entdecken von Ubud haben wir uns auch noch einen richtig klassischen Touri-Tag gegönnt. Fahrrad fahren. Bei den Temperaturen zwar eigentlich der Wahnsinn. Aber es ging mit dem Auto ziemlich weit hoch. Und dann mit dem Fahrrad wieder runter. Wenig Anstrengung also. Dafür viel Fahrtwind. Das geht auch bei 35°.

Abenteuerlustiger Blick? Check! Sicherheitsausrüstung? Check? Bremsen? Ähm, ja....
Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber mein Bild von Bali war immer ziemlich dominiert von Strand und Meer. Wie falsch ich damit lag. Klar, es gibt viel Strand. Und sehr viel Meer. Und selbst da reicht die Bandbreite vom einsamen Sandstrand über schwarzen Lavasand bis zum überfüllten Partystrand. Aber es gibt noch so viel mehr. Ursprüngliche Dörfer, zahllose Tempel (Bali hat die höchste Tempeldichte der Welt), Kunst in allen Variationen. Dazu Natur in allen Formen und Farben. Grüne Reisterrassen, undurchdringlichen Dschungel, steile Felsküsten und: Berge! Besser: Vulkane. Der höchste ist 3142 Meter hoch. Heißt Agung. Und wir wollen da rauf!
Diese Vielfalt bringt dann also mit sich, dass man von der Küste weg quasi immer nach oben fährt. In höhere Lagen. Ubud zum Beispiel liegt 200 Meter über Meereshöhe. Klingt nicht nach viel. Heißt aber, dass es hier immer ein wenig kühler ist als an der Küste. Und je weiter man in die Inselmitte fährt desto höher wird es. Und desto angenehmer wird das Klima.
Zur Fahrradtour wurden wir morgens in einem Kleinbus vom Hotel abgeholt. Nach dem Einsammeln acht weiterer Teilnehmer ging es dann bergauf. Aber nicht nonstop. Sondern mit tollen Stopps. Zuerst an sattgrünen Reisterrassen, an denen wir uns einfach nicht satt sehen können. Dann an einer Plantage, auf der neben Kaffee auch viele einheimische Früchte und Kräuter angebaut werden. Anfassen, Probieren und Lernen. Und dann am Höhepunkt unserer Tour. Mit Ausblick auf ein tolles Panorama. Auf den Vulkan Batur und seinen Kratersee. Atemberaubend. Wir müssen wirklich bald auf einem von diesen Gipfel stehen.

Ein Weg, Respekt zu zeigen: Schilder respektieren und während (einer der zahlreichen) Zeremonien brav Schieben.
Und dann ging es auf die Fahrräder. Spannend. Nicht ganz, was wir von zu Hause gewöhnt sind. Touri-Räder eben. Wir haben mal alle Bedenken bei Seite gelassen und uns nicht gefragt, wann die Bremsklötze das letzte Mal gewechselt wurden. Zum Glück war die Strecke so schön, dass wir bald nicht mehr viel darüber nachgedacht haben. Stone, unser Guide, hat wieder mehrere Stops mit uns gemacht. Unter anderem an einem Insel-typischen Dorf. Dort hat er uns viel zum traditionellen Leben der Balinesen erklärt und wie so eine Dorfgemeinschaft funktioniert. Außerdem haben wir fleißigen Frauen beim Ernten von Reis zuschauen können, bei einer Familie richtig balinesisches Essen und eine kleine Tanzaufführung bekommen.
Alles in allem ein wirklich voller Tag. Und sehr lehrreich. Und nicht anstrengend. Dank Fahrtwind. Aber auch der erste richtige Sonnenbrand. Dank Fahrtwind. Hab einfach nicht gemerkt, wie doll die Sonne brennt. Nun ja. Einer musste ja quasi sein. Ist dann aber auch abgehakt.
Die alte Fluch-Segen-Frage des Tourismus
Es ist schon ein sehr zweischneidiges Schwert. Die Beziehung zwischen Balinesen und Touristen. Einerseits sind sie so freundlich, hilfsbereit und nett. Aber andererseits hat der Tourismus ihr altes Leben über den Haufen geworfen. Sowohl Gusti als auch Stone haben beide eigentlich Kunst gemacht. Der eine hat Bilder gemalt, der andere Figuren geschnitzt. Bis vor ein paar Jahren konnten sie davon auch noch leben. Aber mehr Touristen - mehr Konkurrenz - und die Touristen kaufen keine Kunst mehr. Also blieb ihnen nichts anderes übrig, als die Kunst sein zu lassen und sich anderweitig mit den Touristen zu beschäftigen. Und deswegen führen sie jetzt Leute über die Insel und kutschieren sie herum - anstatt zu malen. Richtig schön ist das nicht.

Ubuds Gastroszene in einem Bild. Vegan ist hier fast schon langweilig.
Und in Ubud konzentriert sich dieses Problem noch mal auf ganz besondere Weise. Uns wurde erzählt, dass es vor 40 Jahren nicht mal Strom in der Stadt gab. Heute gibt es eine westliche Infrastruktur und alles, was des West-Menschen Herz begehrt. Unser Eindruck ist aber, dass das einfach alles viel zu schnell ging. Die Menschen und die Städte sind einfach nicht mehr mitgenommen, mit der Entwicklung und der Modernisierung.
So kommt es also, dass hier die gegensätzlichsten Lebensweisen aufeinanderprallen. Und zwei Ubuds nebeneinander existieren. Ein bisschen wie in Singapur mit der High-Society und der arbeitenden Bevölkerung. Aber doch wieder ganz anders. Jeder findet, was er braucht. Der Expat seine ATMs, hochmoderne Hotels und Restaurants mit W-Lan und Klimaanlage sowie Supermärkte, Shops und Wäschereien, die seinen Vorstellungen entsprechen. All das gibt es auch für die Einheimischen. Nur sieht das ganz anders aus. Und spielt in einer ganz anderen Preisliga. Jeder findet das, was er braucht und erwartet. Und genau das macht wohl auch einen großen Teil der Anziehungskraft aus.
Wir finden nur Schade, dass es kaum Plätze gibt, an denen sich diese beiden Welten mal mischen. Die meisten Westler wollen sich einfach nicht auf ein lokales Niveau "herablassen", und die Locals können sich die neue Welt nicht leisten. Also existiert beides parallel schön vor sich hin. Im Moment versuchen wir, durch Kellner, Verkäufer und Menschen wie unsere Fahrer und Guides ein wenig mehr in die Kultur einzutauchen.

Wie gern, wie verflucht gern würde ich die Radiowerbung hier von denen mal hören!
Manchmal nervt es aber auch einfach nur doppelt, so klar als Tourist erkennbar zu sein. Ständig wird man auf der Straße angesprochen und angehupt. "Yes, Taxi?"- "Transport? Maybe tomorrow?" "Hello?" - "Yes, Information?" - "I give you special price!" - "Yes, have a Look at my Shop? Yes?" Yes ist auf jeden Fall das erste Wort, was jedes Kind hier lernt. Gefühlt jedenfalls. Am Anfang denken wir noch "Wir verstehen euch ja, ihr müsst auch eure Familien versorgen." Aber wenn man keine zwei Meter in Ruhe laufen kann, dann nimmt das Verständnis irgendwann rapide ab. Leider. Zum Glück ist es bisher nur auf der Hauptstraße Ubuds schlimm. In den Seitengassen ist es ruhiger. Also halten wir uns dort einfach mehr auf. Und gehen besonders gerne in Geschäfte, vor denen wir nicht sofort angesprochen werden.
Doppelt verliebt
Verliebt haben wir uns trotzdem. Sowohl in Ubud, als auch in die Insel. Wir können verstehen, dass so viele Ausländer hier kleben bleiben. Denn trotz aller Veränderung haben die Balinesen sich ihr entspanntes und sonniges Gemüt bewahrt. Trotz aller Probleme hat man nie das Gefühl, unwillkommen zu sein oder zu stören. Wie es in den Köpfen der Menschen aussieht, kann ich natürlich nicht beurteilen.
Weh tut dann nur, wenn man sieht, wie wenig Einfühlungsvermögen so manch Besucher an den Tag legt. Respekt vor Kultur und Tradition? Nicht selbstverständlich. Manieren und Höflichkeit? Zu Hause gelassen. Aber ganz im Urlaubs- und Entspannungsmodus versuchen wir, uns nicht zu sehr über unsere Mit-Touristen zu ärgern. Sondern mit gutem Beispiel voran zu gehen. Das führt auch zu gemeinen Gefühlen wie grenzenloser Traurigkeit angesichts so manchen Strandverkäufers. Oder Mitleid mit Menschen wie Gusti und Stone. Aber lieber das, als blind zu sein für diese Seite der Insel.

Da freut sich aber einer! Umzug geschafft, Hausstrand erobert! Bali, wir lieben dich!
Und wir schmieden einen Plan. Nämlich, dass wir Bali richtig erkunden wollen. Deswegen wird es nach unserer Zeit im Süden für eine Weile ins grüne Herz der Insel gehen. Und danach weiter an die etwas rauere Ostküste. Bevor es dann auf eine der Nachbarinseln geht. Wahrscheinlich eine der Gilis. Kleine Landtropfen, nahe an Balis Nachbarin Lombok gelegen.
Ihr seht, der Kopf und vor allem mein Gewissen reisen immer mit mir. Und meine Emotionen und Gedanken stehen nicht still. Und ich denke viel darüber nach, wie wir es besser machen können. Oder was wir anders machen können. Um den Balinesen vielleicht auch etwas zurück zu geben. Von all dem, was sie uns mit ihrer Mentalität und ihrer schönen Insel bescheren.