From Bali to Bavaria | Noch nicht wieder hier, aber auch nicht mehr dort.

Zwischen den Welten

Lesezeit: 4 minuten

Zwischen den Welten

Der erste Post nach THE|trip.

Darüber, wie es sich anfühlt, zurück zu sein. Darüber, ob es mehr eine Rückkehr oder eigentlich der Start einer ganz anderen, neuen Reise ist. Und darüber, dass es gar nicht so einfach ist, mit dem nach Hause kommen.


Seit 9 Tagen sind wir nun wieder in Deutschland. Aber angekommen sind wir noch lange nicht. Und im Moment fühlt es sich nicht so an, als würden wir es bald tun. Als wären wir resozialisierbar.

Ein wenig hoffe ich im Moment, dass das auch so bleibt. Das alles, was wir während der vier Monate erlebt haben, wie wir uns verändert haben – was diese Zeit mit uns gemacht hat, dass es nicht nach wenigen Wochen wieder in der unterbewussten Versenkung verschwinden wird. So wie die Bräune bald weg sein wird. Eigentlich hoffe ich, dass sich halten kann, was gerade ist. Auch wenn es sich nicht nur schön anfühlt.

Reisen verändert. Das habe ich nach meinem Jahr in Neuseeland schon gemerkt. Und jetzt merke ich es wieder. Sogar noch bewusster. Weil ich die ganze Reise bewusster erlebt habe als die Monate Down Under. Selbst-Bewusster. Intensiver, würde ich sagen. Vorsichtiger. Achtsamer. Und mit dem Wissen um meine Borderline Persönlichkeitsstörung.

 From Bali to Bavaria

Wir vermissen die Wärme. Auch die menschliche. Wir vermissen die positive Einstellung zum Leben und zu anderen Menschen, welche so typisch ist für die Balinesen. Wir vermissen die Opfergaben vor der Tür und den Duft von Räucherstäbchen in der Luft – die können wir aber zum Glück noch selber anzünden. Und ja, Rollerfahren vermissen wir auch.

Mein Körper kämpft seit unserer Rückkehr an allen Fronten – Zeitverschiebung, Jetlag, Temperaturen, Schnee, Dunkelheit. Auftritt fiese Willkommen-in-Deutschland-Erkältung, die nicht nur die Nase, sondern den ganzen Kopf verstopft. Und die nicht nur die ersehnte erste Laufrunde an der Isar verhindert, sondern auch die meisten anderen sportlichen Aktivitäten. Und wer mich kennt – oder aufmerksam liest – der weiß, dass das schon mal eine ganz schlechte Ausgangslage für ein sonniges Gemüt ist.

So rund die letzten Tage auf Bali sich angefühlt haben – so sehr scheint jetzt der Wurm drin zu sein. Alles fühlt sich irgendwie schal an. Nicht komplett. Falsch. Einige oder vielleicht sogar alle dieser Gefühle mag jeder Langzeitreisende durchleben, wenn er nach einer längeren Zeit im Ausland wieder in seine gewohnte Umgebung zurück kommt.

Dinge, die man vorher nicht wahrgenommen hat, sieht man jetzt um so stärker. Die guten wie die schlechten. Über das Trinkwasser aus der Leitung werden wir uns sicherlich auch noch ein bisschen länger freuen (Was für ein Luxus!!!). Genau so über saubere Flüsse und Straßenränder. Über Bürgersteige, schnelles Internet und Käse. Und trotzdem schwimmt auch hier immer eine Portion Wehmut mit. Denn auf Bali ging es ja auch ohne.

Am meisten fällt auf – und auch das kennen vermutlich die meisten Rückkehrer – die, ich nenne sie jetzt mal „soziale Kälte“. Und der Mangel an fröhlichen Gesichtern. Dafür sieht man aber hunderte von herumfahrenden Vermögen auf der Straße. Ich fasse es zusammen: Den Menschen hier geht es so gut, und trotzdem schaffen sie es, mit runterhängenden Mundwinkeln herumzulaufen.

Ja, Pauschalisierungs-Alarm! Jeder Balinese ist nett und jeder Deutsche doof. Genau das will ich sagen (Sarkasmus). Natürlich lächelt einen auch hier mal die Kassiererin im Supermarkt an. Oder jemand hebt einem den heruntergefallenen Handschuh auf. Was ich aber meine, ist diese positive Grundeinstellung zum Leben, zu anderen Menschen – das Nicht-Nur-An-Sich-Selber-(und-vielleicht-noch-den-engsten-Freundeskreis-und-die-Familie)-Denken.

Hier taucht das Wort Karma auf meinem inneren Bildschirm auf. Vielleicht fassen diese fünf Buchstaben die ganze Sache besser zusammen, als ich es in noch drei weiteren Absätzen könnte. Und daher nur noch meine Lieblingsbuchstabenfolge im Moment:

I saw that.

– Karma

 Schön euch wiederzusehen…

… ihr üblichen Verdächtigen. Ihr alten Bekannten. Ihr Gedanken, Gefühle und Löcher. Und Welcome Back, instabiles Selbstbild, mangelndes Selbstvertrauen und nagende Selbstzweifel.

Meine Worte aus Viertel vor Rückreise klingen gerade ein wenig wie Hohn. Aus der Ferne sehen Pläne, Ideen und überhaupt die Realität wohl immer einfacher aus. Die Pläne und Ideen sind immer noch die gleichen, da hat sich nichts geändert. Aber in der Vorstellung lassen sich gerade diese wohl leichter und schneller in die Tat umsetzen, als in der Realität. 

Der von der Erkältung zermatschte Kopf hat nicht nur den Start des Studiums nach hinten verschoben (was zum Glück nicht schlimm ist, da ich mir die Module und meine Zeit ja frei einteilen kann). Viel mehr fühlt es sich so an, als hätte er mir den Wind aus allen Segeln genommen, die Energie und Motivation in den Keller gesperrt. Stattdessen sind die fiesen Stiefgeschwister Zweifel und Angst nach oben gekommen. Dann noch ein nicht ganz so schönes und vor allem sehr unerwartetes Gespräch kurz nach der Rückkehr – BÄM. Das haut um.

Ein geschwächter Geist hat all dem wenig entgegenzusetzen. So wie ich in den ersten Tagen der Reise innerlich ordentlich durchgeschüttelt wurde, so geht es mir jetzt auch wieder. Alles in mir fährt Achterbahn. Gedanken, Gefühle, Stimmung, Pläne, Wahrnehmung, Laune und Anspannung springen im Minutentakt hin und her. Ich würde sagen, Symptom N°3 ist gerade am Steuer. Und Symptom N°6 ist der Copilot.

Die Hoffnung ist, dass dieser ganze Terz vielleicht nur am Sportmangel und der allgemein im Taumel der Rückkehr etwas untergegangenen Selbstfürsorge oder generell dem Wieder-Zurück-Sein liegt. Und nicht die Vorstufe zu einer richtigen Talfahrt auf meiner Borderline-Achterbahn.

Keine Sorge, es ist nicht alles schlecht. Freunde und Familie wiederzusehen, Brot zu essen und unseren Bus wiederzuhaben, ist schon schön. Und außerdem muss ich durch dieses ganze Wirrwarr ja nicht alleine durch. Arvid erlebt die ganze Geschichte zumindest teilweise genau so wie ich. Und es ist schön, dass wir auch nach vier Monaten täglichem Sehen noch keine Partner-Überdosis haben. Sondern froh über den anderen sind.

 Hallo, Zukunft?

Vielleicht muss ich einfach mein neues (erstes!) Tattoo ernst nehmen und ihm folgen. Und gen Süden fahren. Denn in meinen geliebten Bergen war ich bisher noch nicht. Noch ein letzte Seitenhieb an die Erkältung an dieser Stelle. Vielleicht ändert sich dieses Fehl-am-Platz-Gefühl, dieser ganze Zweifelsbrei auch, wenn ich das erste Mal auf einem Gipfel stehe. Wäre auf jeden Fall schön, wenn sich die Sache so einfach klären ließe.

Bis zur wundersamen Besserung oder der ersten Bergtour heißt es, alle gesammelte, gespeicherte und verinnerlichte positive Energie, die wir auf Bali so mühelos sammeln konnten, wieder hervorzulocken. Oder herzurufen. Vielleicht sitzt sie ja noch im Flieger. Oder wartet am Flughafen auf mich – vielleicht sollte ich da mal nachschauen…