Zuhörtelefon Nightline – Weil nicht nur reden hilft

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Zuhörtelefon Nightline – Weil nicht nur #redenhilft

… sondern #zuhörenauch. Ein Beitrag von Marcel über seinen Weg zur Nightline. Und darüber, warum es so gut tut, wenn einem da einfach mal jemand zuhört.


Ich kann mich noch genau an eine ganz spezielle Partynacht während meines Studiums erinnern. Alles begann eben genauso, wie viele solcher Abende beginnen. Man trifft sich bei Freunden, trinkt vor, spielt „Saufspiele“, geht dann noch in eine Bar, um den Tank weiter zu füllen und wartet dann, bis alle den richtigen Pegel haben, um feiern zu gehen. So oder ähnlich lief das damals auch bei mir ab.

Auch an besagtem Abend vor ungefähr zwei Jahren. Eigentlich war ich gut gelaunt. Meine Depression hatte zu dieser Zeit auch relativ wenig zu melden und hatte sich in den wohlverdienten Sommerurlaub verabschiedet. Ich freute mich auf einen geselligen, feuchtfröhlichen Abend, wie ich sie schon viele hatte. Mir ging es gut, dachte ein wenig Alkohol könnte ja auch nicht schaden und war einfach mal wieder froh, das alles ohne groß nachzudenken, auf mich zukommen zu lassen. Und so nahm das dann alles erst einmal seinen gewohnten Lauf. Vortrinken, in der Bar um die Ecke den „Feinschliff“ für den Club holen und ab auf die Piste.

Ich war beim Feiern eigentlich niemals der Typ, der auf der Tanzfläche groß aus sich heraus kam oder großartig Frauen anquatschte, um ihre Handynummer zu bekommen. Deswegen habe ich mich auch wenig damit überrascht, dass es an diesem Abend auch nicht anders war. Ich war eher der Typ, der vielleicht etwas verloren im Club rumsteht, sein Getränk hält und ein wenig die Füße zum Takt der Musik bewegt. Natürlich kam es dann auch ab und zu mal vor, dass ich mich nicht wirklich wohl fühlte zwischen all den Menschen bei lauter Musik und viel zu viel Alkohol. Soweit so gut.

Zu laut, zu eng, zu viel

Da überraschte es mich eigentlich auch nicht, als ich mich auch an diesem Abend nicht wirklich wohl gefühlt habe. Alles war zu laut, zu eng, zu viel. Doch anstatt mich wie so oft damit zu arrangieren oder einfach nach Hause zu gehen, war es für mich an diesem Abend einfach nicht mehr auszuhalten. Das Unwohlsein kippte schnell in einen inneren Hilfeschrei, der nur darum bettelte, dass ich endlich hier raus darf. Und so stürmte ich irgendwann die Treppe hinunter, raus an die frische Luft und mit einer gehörigen Portion Erleichterung, dass ich endlich draußen war.

Wie gesagt: Alles schon erlebt, alles schon einmal in ähnlicher Art und Weise erfahren. Aber ich hatte selten davor so ein Gefühl der Panik und der Angst vor all den Reizen, vor all den Menschen. Meine Freunde standen zu diesem Zeitpunkt noch im Club und haben von all dem wohl gar nichts mitbekommen. Ich stand also alleine vor dem Club mit der Gewissheit „Ich gehe da nicht mehr rein“. Und der, im Nachhinein, falschen Rücksichtnahme darauf, dass ich meinen Freunden nicht den Abend „versauen“ will, wenn ich jetzt mit ihnen darüber spreche, wie scheiße es mir gerade geht.

Wenn Studierende Studierenden zuhören

Ich wollte aber nicht alleine sein in diesem Moment. Ich wollte so gerne mit jemandem sprechen, der mir jetzt einfach mal zuhört und für mich da ist. Ich hatte damals, mehr oder weniger per Zufall, von einem studentischen Zuhörtelefon namens Nightline gehört. Ein Angebot, bei dem Studierende nachts anderen Studierenden zuhören, wenn diese ihre großen und kleinen Sorgen teilen möchten. Also suchte ich im Internet nach einer passenden Nummer und fand dann eben jene der Nightline Heidelberg. Warum ich ausgerechnet dort angerufen habe, weiß ich nicht mehr. Schließlich gibt es die Nightline in 16 Städten in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Ich suchte mir dann ein Plätzchen fernab vom hektischen Treiben des Clubs und wählte die Nummer. Etwas nervös war ich dann natürlich schon, als es klingelte. Schließlich landete ich bei einer junge Dame, die mir gleich zu Beginn die Angst davor nahm, mich ihr mitzuteilen. Eigentlich, und das ist wohl auch der Sinn eines „Zuhörtelefons“, sagte sie gar nicht viel. Sondern gab mir das Gefühl, dass sie ganz für mich da ist und mir gerne zuhört. Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht mehr so genau, was ich ihr alles erzählt habe. Ich weiß nur noch, dass wir ungefähr eine Stunde lang telefoniert haben. Eine Stunde, in der ich meine Nerven beruhigen und meine Gedanken sortieren konnte. Und genau damit war mir ungemein geholfen.

Weil zuhören hilft!

Für mich ist dieses Gespräch selbst nach all den Jahren sehr im Gedächtnis geblieben. Die Idee, dass sich Studierende Zeit nehmen und anderen Altersgenossen mit einem offenen Ohr zur Seite stehen, wenn vielleicht mal niemand anders da ist, den man nachts um 12 aus dem Bett klingeln will, begeistert mich nach wie vor. Oder ganz einfach jemand, der einmal ganz unvoreingenommen zuhört und gar nicht großartig wertet. Jemand, der mit etwas Abstand gemeinsam mit dem Anrufer die Gedanken sortiert. Die Nightline von Greifswald bis Konstanz, München bis Köln, machen wirklich eine sehr wichtige Arbeit, für die ich einfach mal Danke sagen will.

Diesem einen Anruf sind danach noch weitere Anrufe gefolgt. Und ich muss wirklich sagen, dass ich danach jedes Mal mit etwas weniger Last ins Bett gegangen bin. Und der nächste Tag jedes Mal ein wenig leichter schien.  

Letztlich endete der besagte Abend damit, dass ich mich von meinen Freunden verabschiedet habe und nach Hause gegangen bin. Eine wohl im Nachhinein einfach anmutende Entscheidung, für die ich aber erst einmal meine Gedanken sortieren musste. Ob einfach oder nicht – es war auf jeden Fall diejenige Entscheidung mit der ich mich am wohlsten gefühlt habe. Und darum geht es ja am Ende vom Tag.


Nightline Imagefilm

Und hier noch ein kleines Videoschmankerl – mit Humor. Ganz nach unserem Geschmack also: