Tattoo Wanna Dos

Interview: Mental Health & Tattoos

Lesezeit: 5 minuten

Mental Health geht unter die Haut

Für die einen sind Tattoos einfach nur schön, für andere ein Symbol, eine Erinnerung an gewisse Momente, Menschen oder Worte, die immer sichtbar auf der Haut getragen werden sollen. Auch in Zusammenhang mit Mental Health sind Tattoos immer wieder ein Thema. Ob zum Überdecken von Narben, als Belohnung nach harten Zeiten oder als Reminder, der einen täglich an die Auf und Abs des Lebens erinnert.

Zum diesjährigen World Mental Health Day haben wir uns gemeinsam mit der Münchner Tattoo-Artist Peshy von Hola Papaya Tattoo eine besondere Aktion überlegt: den ganzen Tag über wird im BERG & MENTAL tätowiert – für den guten Zweck. Die Einnahmen gehen an uns, die Besucher bekommen dafür ein Mental Health Tattoo. Genaue Infos zu der Aktion findet Ihr auf Facebook und Instagram.


Interview mit Peshy

Vorab, haben wir uns mit der wundertollen Peshy unterhalten. Warum Tattoos sooo verdammt viel mit Mental Health zu tun haben, was sie da so eigentlich treibt in ihrem Studio und wie sie dazu kam mit Ende 20 noch einmal komplett neu anzufangen. Seid gespannt und freut euch, die fabelhafte Peshy und ihre Kollegin Feffy bei uns im Laden kennenzulernen!

Wer bist du? 

Ich bin Peshy. Ich bin 35 Jahre jung, komme ursprünglich aus München und habe vor 3 Jahren Hola Papaya Tattoo gegründet. Somit bin ich neben Unternehmerin auch Freundin, Frau, Künstlerin, Freigeist und leidenschaftliche Tattowiererin.

Wenn ich mich selbst beschreiben muss, dann verwende ich häufig den englischen Begriff „Multipassionate Person“. Ich bin ein kleiner Tausendsacher und liebe es mich mit vielen verschiedenen Dingen beschäftigen zu dürfen. Handwerk, Malen, Musik, Tanzen, Menschen und natürlich tätowieren. Meine Leidenschaften sind soooo vielfältig. Ich bin super offen, rede gerne, sozial engagiert, reise viel und bin wahnsinnig kulturinteressiert. Deswegen habe ich auch einen Bachelor in Kulturwirtschaften und einen Master in Anthropologie. Ich war im Rahmen meines Studiums unter anderm drei Monaten in Indien und verbrachte drei Jahre in Lateinamerika. Beim Tätowieren kann ich fast alle meiner Leidenschaften miteinander verbinden, was diesen Beruf für mich zum absoluten Traumberuf macht. 

Und warum bist du so ein unsagbar wunderbarer Mensch? <3 

Wow… unsagbar wunderbar  … ; ) 

Ich glaube ich bin ein recht mitfühlender Mensch. Wenn man selbst einige Herausforderungen meistern musste, geht man einfühlsamer und warmherziger mit seinen Mitmenschen um. Man weiß ja nie, was der andere erlebt hat. Daher ist mir ein respektvolles, tolerantes Miteinander sehr wichtig. Ich glaub daher kommt auch meine „soziale Ader“ und der Wunsch im Kleinen das Große Ganze positiv zu verändern. Bezüglich Unternehmen, war einfach immer mein Anspruch selbst gut davon Leben zu können, aber auch anderen etwas zu geben. Deshalb unterstützen wir jedes Jahr ein Projekt, das uns am Herzen liegt, mit einem Spendentag und spenden am Ende des Jahres pro Tattoo einen Euro an den Guten Zweck. 

Wenn du dich selbst mit einer Farbe beschreiben müsstest, welche Farbe wäre es? 

Vielleicht ist Blau meine Lieblingsfarbe, weil ich selbst „blau bin“.  Blau ist für mich: facettenreich, bedeutet für mich Freiheit, unendliches Potenzial (The Sky is the limit), und wenn man aufs Meer bezieht beruhigend, erfrischend, lebendig. Aber blau ist auch irgendwie gefährlich, nicht umsonst sind Disneybösewichte wie Hardes aus Herkules in Blautönen gehalten. Blau deckt für mich wohl das gesamte Emotionsspektrum von happy bis tieftraurig ab.

Wie kamst du zum Tätowieren? 

Mit 28 hatte ich eine Twentysomething-Krise. Ich zweifelte an mir, meinem bisherigen Leben und allem was dazu gehört. Ich begann mich und mein Verhalten zu reflektieren. Was brauche ich, was will ich und wo will ich irgendwann im Leben mal ankommen. Ich zeichnete schon immer gern und wollte etwas neues lernen. So habe ich in Peru ein Studio angeschrieben und bekam prompt die Antwort, dass ich jederzeit willkommen sei. Es war so anders als hier in Deutschland/München. Eigentlich genau das Gegenteil. Ich will gerne meine Ziele erreichen, ohne nur an mich zu denken, Wissen weitergeben und helfen wann immer ich kann. Diese Form von „Female Empowerment“ hat mich vor allem nach meiner Entscheidung Tattowiererin zu werden beschäftigt. Wie kann ich das in meinem eigenen Studio umsetzen? Wie kann ich mit meinem eigenen Business etwas Gutes tun? Bei mir wird es immer Raum für kreative Ideen, offene herzliche Gespräche, Impulse und soziales Engagement geben. 

Deshalb habe ich, mit meinem mittlerweile gewachsenem Team, entschieden, dass wir jedes Jahr ein anderes Projekt unterstützen. Pro Tattoo spenden wir einen Euro in soziale, nachhaltige Projekte, die uns am Herzen liegen. 

Worauf legst du beim Tätowieren besonderen Wert? 

Naja klar, dasDas Visuelle und Technische steht natürlich im Vordergrund. Ich achte auf Platzierung, bespreche die Farbwahl ganz ausführlich, damit der Kunde weiß was er bekommt. Meine aller oberste Priorität hat allerdings, das Wohlbefinden meines Kunden:in. Ich möchte, dass es der Person gut geht trotz „Schmerz“, dass das Erlebnis „Tattoo“ die Person weiterbringt, in Form eines Energieschubs, eines Abschlusses oder einem inspirierenden Gesprächs.

Wieso ist Mental Health für dich ein Thema? 

Ich war in meinem Job supeIch war in meinem Job super unzufrieden. Körperlich und geistig war ich bereits an meinem Limit angelangt. Kurz vor dem Burnout zog ich die Reißleine und kümmerte mich um meine mentale Gesundheit. Denn, für mich hat Mental Health auch immer etwas mit meinem Traumberuf zu tun. Ich möchte mich auch beruflich selbst verwirklichen. 

Glaubst du das Tattoos ein Hilfsmittel für Mentale Gesundheit sein können? Wenn ja, warum? 

JA – Absolut. Ein Tattoo ist immer ein Versprechen an sich selbst: um etwas zu verbessern, eine Belohnung für ein Etappenziel, ein Reminder und Wegweiser, manchmal symbolisiert es einen Neuanfang oder einen Abschluss.

Wusstet ihr übrigens, dass Tattoos eigentlich aus der Akupunktur stammen? Bei Ötzi in den Bergen, haben Anthropologen insgesamt 61 Tattoos gefunden. Die Tattoos wurden an wichtigen Akupunkturpunkten platziert und sollen eine heilende Wirkung haben. Tattoos helfen also beim Heilen. In vielen Kulturen ist Tätowieren ein wichtiger Ritus. Tattoos haben also definitiv etwas mit Mentaler Gesundheit zu tun. – Peshy lacht – 

Viele haben sie, die „Mental Health Recovery Tattoos“. Handelt es sich dabei um Fluch und Segen zu gleich? Letzten Endes ist Recovery immer ein einziges Auf und Ab. Erinnert das Tattoo vielleicht irgendwann auch einmal daran, dass man gescheitert ist? 

Bei einigen meiner Kunden, durfte ich bereits Narben überstechen. Narben, die für eine Vergangenheit stehen, die vielleicht nicht toll war, aber sie hat dich dort hin gebracht, wo du jetzt stehst. Ich lasse aus einer schwierigen Vergangenheit ein schönes Bild entstehen, das ist für mich etwas ganz Besonderes. „Recovery Tattoos“ erinnern auch irgendwie immer ans Scheitern, das es einmal härter war. Aber Scheitern gehört erfahrungsgemäß leider einfach dazu. Deshalb bin ich ein großer Fan davon, dass man sich Tattoos erst deutlich nach einer Krise stechen lässt. Wenn man an einem guten, stabilen Punkt angelangt ist. Als positive Bestärkung für die weitere Zukunft.

Sollte sich jeder tätowieren lassen? 

NEIN.  Es ist gerade natürlich im Trend, aber es ist eine sehr persönliche sehr weitreichende Entscheidung.  Ein Tattoo ist etwas besonderes und es ist was schönes, jede Etappe hat ein gefühlt ihr eigenes Tattoo. Und die Anzahl wächst langsam mit der Lebenserfahrung der eigenen Geschichte. 

Zum Abschluss: dein schönster „Tattoomoment“? 

Peshy wird tätowiert: 

Zum Ende meiner Ausbildung in Peru tätowierte mich mein Lehrer am Rücken. Es war mein erstes eigenes Tattoo – mit 28 Jahren. Dieser Moment, kurz bevor er fertig war. Nach 3,5 Stunden. Dieses Wissen, ich hab’s gleich geschafft und es dann fertig zu sehen. Das war mein schönster Tattoomoment. 

Peshy tattowiert: 

Super schwierige Frage! Ich erlebe ständig schöne Momente, weil ich genau das tue, was ich liebe. Für mich immer ein Highligt: der Moment wenn die Person das Tattoo das erste mal fertig sieht. Diese Emotionale Komponente liebe ich sehr an meinem Job, Da ist alles dabei von Tränen, spontanen Umarmungen und Freudenschreien.