„Ihr habt doch keine Ahnung!“ – Teil 2

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„Ihr habt doch keine Ahnung!“ – Teil 2

Weiter geht’s mit dem Ende der Ahnungslosigkeit. Nichts baut Vorurteile so sehr ab wie die Vermittlung von Wissen.


Im ersten Teil dieses Posts habe ich darüber geschrieben, warum es so wichtig ist, dass wir Betroffenen öfter versuchen zu beschreiben, wie wir uns fühlen. Auch wenn das absolut keine leichte Aufgabe ist. 

Ich habe versucht, euch ein weiteres Puzzleteil in die Hände zu geben, mit dem ihr eurer Bild vom Leben mit Borderline wieder ein klein bisschen erweitern könnt. In Teil 2 möchte ich euch ein bisschen mehr über die anderen beiden Diagnosen erzählen, die mein Hirn unsicher machen.

Das Trio in meinem Kopf

Ich weiß nicht, wie genau Borderline, Depression und Sucht sich gegenseitig beeinflussen, wo die Grenzen sind, wo die eine aufhört und die andere anfängt, wer zuerst da war oder wer das größte Zimmer in meinem Kopf hat – wahrscheinlich sind die Übergänge zu fließend, als dass ich eine klare Zuordnung vornehmen könnte.

Ich kann nicht mal sagen, ob die drei eigentlich Freunde, Verbündete oder Feinde sind. Ob sie sich gegenseitig anfeuern oder sabotieren. Wahrscheinlich sind sie in diesem Punkt eine ziemlich normale WG: mal fetzen sie sich, mal vertragen sie sich; zeitweise gehen sie sich aus dem Weg und sehen sich wochenlang nicht, dann schmeißen sie gemeinsame Partys; mal sind sie genervt voneinander, mal sind sie froh, sich zu haben.

Mal schubst die Depression die Borderline zur Seite, dann lähmt der schwarze, schwere Umhang sogar die Achterbahn. So wie ich über die Achterbahn der Emotionen in meinen Texten schreibe könnte man meinen, das wäre doch mal eine ganz nette Abwechslung. Wenn dafür aber ein großes, schwarzes Nichts samt abwärtsdrehendem Gedankenstrudel im Kopf einzieht, ist das mehr ein Vom-Regen-in-die-Traufe-Taumeln.

Und auch beim Alkohol kommt es mir so vor, als könne ich zwischen Pest und Cholera wählen. Entweder ich trinke, dann wird die Borderline-Achterbahn gebändigt. Oder ich lasse es und muss mit allem klar kommen, was meine Persönlichkeitsstörung so mit sich bringt. Und leider fällt es der Depression auch leichter, auf die Achterbahn aufzuspringen, wenn sie alkoholbedingt gerade langsamer fährt.

Depression für alle!

Wenn ich auch nicht sagen kann, welchen Beziehungsstatus Borderline und Depression gerade haben, so kann ich auf jeden Fall sagen, wie es sich anfühlt, wenn die Depression mal wieder oben auf ist. Wenn nichts mehr geht. Ein Umhang aus Blei mich niederdrückt. Wenn Kopf und Herz schwer und schwarz werden. 

Das Wort „depressiv“ wird im Alltag gerne falsch verwendet. Zu schnell, zu leichtfertig, zu ahnungslos. Depressiv sein ist nicht das gleiche wie traurig sein. Trauer ist gut, normal und wichtig. Depression ist tödlich, unbarmherzig und mächtig.

Von außen mag es Ähnlichkeiten geben, aber mal einen Tag nicht von der Couch zu kommen weil dich Netflix so hypnotisiert ist nicht das gleiche, wie einen Tag lang nicht von der Couch hochzukommen, weil du es einfach nicht kannst.

Weil selbst der Gedanke, acht Meter rüber in die Küche zu laufen dich erschöpft. Und das nicht nur einen Tag, sondern auch mal eine Woche so bleibt. Wenn Essen, Duschen, Trinken, Reden, Bewegen, Kommunizieren in jeglicher Form ein Ding der Unmöglichkeit werden.

Wenn du irgendwann so lange reglos da lagst, ohne Hoffnung, ohne Kontakt, ohne Essen, dass dein Körper den Notknopf drückt und eine Art Überlebensinstinkt aktiviert, der den Körper automatisch bewegt, säubert, rausgehen und etwas zu essen kaufen lässt. Meistens ungesund. Aber egal. Dein Körper schreit nach Nährstoffen

Du musst all deine Kraft darauf verwenden, den nächsten Moment zu überstehen. Die Zeit, das Leben fliegt an dir vorbei. Du merkst es. Kannst aber durch den dicken Schleier, der dich von der Welt trennt nichts dagegen unternehmen. Und das Wissen, dass es so ist, lässt dich noch tiefer in deine Verzweiflung sinken.

Gift in meinen Gedanken

Die Depression vergiftet meine Gedanken. Spielt mir falsche Tatsachen vor. Wiederholt so lange die immer gleichen Lügen bis ich nicht mehr weiß, was eigentlich die Wahrheit sein könnte.

Mein Körper ist wie gelähmt. Und mein Wille gleich mit. Während in meinem Kopf kein Stillstand einkehrt. Mein von der Depression regiertes Hirn hört nicht auf, mich mit giftigen Gedankensalven zu beschießen! Da oben herrscht Dauerfeuer.

„Was bist du nur für ein erbärmliches Etwas! Hast alles und kriegst doch nichts auf die Reihe. Andere Menschen haben nichts und sind trotzdem glücklich!“ – „Keiner schert sich um dich! Du könntest hier auf der Couch verrecken und keiner würde es merken! Du bist ganz allein!“ – „Mach einfach Schluss – das ist doch kein Leben! Und die anderen wären auch viel besser dran ohne dich. Ohne dein ständiges Jammern. Endlich kein Problemfall mehr, nach dem sie alle paar Wochen mal schauen müssen.“ – „Wie oft soll ich es dir noch sagen: du bist ein nutzloser Haufen Mensch!“

Das schlechte Gewissen steht permanent an meiner Gedankenseite. Zweifel nagen an allen Ecken der Gedanken. Urteile warten darauf, gefällt zu werden. Hoffnungslosigkeit schaut immer öfter vorbei. Gedanken an Selbstmord drehen ihre Runden.

Gesehen hat mich in diesem Zustand noch kaum ein Mensch – mir fallen genau zwei ein – denn andere Menschen sind ein Grund, zu funktionieren. Und wenn ich die Wohnung nicht für mich alleine habe traut sich auch die Depression nicht so richtig raus aus ihrem Versteck.

Pflicht sei Dank

Ich sehe es als (m)ein „Glück“, dass ich dieses enorm, dieses verflucht hohe Pflichtgefühl habe. Denn so lässt mich meine treue Funktionalität immer wieder aufstehen, wenn der nächste Termin, die nächste Schicht oder das Ende meiner Einzelhaft ansteht.

Wenn es soweit ist, schickt mein Hirn eine Art Monsterfänger los. Es fühlt sich an wie das Zielschlussauto, dass beim Marathon nach und nach die verbleibenden Läufer einsammelt. Dann ist die Bahn frei. Leer. Die Monster sind in ihren Käfigen, der Autopilot übernimmt. Lässt mich aufstehen, duschen und meine Pflicht erfüllen gehen.

Das heißt nicht, dass die Depression nicht mehr da ist. Aber der mit Pflichtgefühl betriebene Autopilot ist stark und kann machen, dass die Monster zwar noch in meinem Kopf sind und aus ihren Käfigen nach mir geiern, aber sie kommen nicht mehr so nah an mich ran. Solange mein Umfeld mir einen Grund bietet zu handeln, mache ich das.

Die Sucht macht Druck!

Nahtloser Übergang zur nächsten Kampfarena: egal ob ihr es Suchtdruck oder Craving nennt; egal ob es ein irrsinniges Verlangen nach Alkohol, Selbstverletzung, Hunger, Gras oder Händewaschen ist – Sucht in all ihren Formen ist ein ganz schön mieses Dreckstück. Die Sucht spielt PingPong mit deinen Gedanken. Die Spieler:

  • Das Wissen: natürlich weiß ich, dass es nicht gut ist, Alkohol zum Anspannungsabbau zu trinken. Ein Teil meines Gehirns checkt, dass ich damit gar nichts besser mache, sondern eher alles nur schlimmer. Dass Alkohol ein Gift ist, dass mich fest im Griff hat.
  • Die Verharmlosung: die Kölner sagen „Et hätt noch emmer joot jejange.“ Und das sagt dieser Teil meines Kopfes auch gerne. Es passt doch alles. So schlimm ist das gar nicht. Keine Verkehrsunfälle, keine Vorstrafen dank Alkohol, nur leichte körperliche Folgeerscheinungen – warum also was ändern? Passt doch alles! Alkoholabhängig? Ich doch nicht!
  • Das Verlangen: nach Erleichterung. Nach einem Ausweg. Einem Filter. Einem Ende. Weniger fühlen, weniger denken, weniger Chaos. Bitte! Selbstschädigung? Scheiß drauf – ich will einfach nur, dass es besser wird!!! Mich belohnen, fürs Kämpfen, fürs Durchhalten.
  • Die Kämpferin: „Alle sagen, das geht nicht. Dann kam eine, die wusste das nicht und hat’s einfach gemacht.“ Manchmal wäre ich gern die, die es schafft, alleine, aus eigener Kraft, die Sucht zu überwinden. Die irgendwann sagen kann „I’m sober now for three whole months“ oder auch years.

Zu diesen Akteuren gesellen sich gerne noch alle möglichen Satzritter und Gedanken. Die Sportlerin sagt, dass ich doch morgen 15  Kilometer laufen gehen wollte und das nix wird, wenn ich jetzt noch eine Flasche Wein trinke. Die Gesundheitsbewusste pöbelt, weil sie keine Lust auf die Kalorien hat. Die Kaputte will mir beweisen, wie kaputt ich bin. Die Verletzte will wieder in ihr vertrautes Loch und sich einfach nur darin verkriechen. Die Depression sagt, dass das doch eh alles keinen Sinn macht.

Krieg im Kopf

Diese Parteien können sich stundenlang in meinem Kopf im Kreis drehen. Stellt euch eine Wippe vor – die eine Seite steht für „Alkohol trinken“ die andere für „Nüchtern bleiben“. Die Argumente, Gedanken und Sätze springen hin und her, mal hängt die Waage klar zur einen Seite und bewegt sich keinen Millimeter. Mal kippt sie im Sekundentakt von Seite zu Seite.

Manchmal tobt dieser Krieg nur leise im hinteren Teil meines Kopfes, manchmal stürzt er sich aber auch nach vorne, ganz in die erste Reihe. Will gesehen, muss gedacht und gekämpft werden. Da ist dann nicht mehr viel Platz für anderes. Es ist ein richtiger Tunnel der Gedanken. Wenn ich da so richtig drin stecke bekomme ich gar nicht mehr wirklich mit, was um mich herum passiert.

Das starke Verlangen nach irgendetwas, dass die Situation besser macht in Kombination mit der borderlinetypischen Impulsivität besonders wenn es um Selbstschädigung geht, macht die Sache dann oft nicht leichter. Da hilft alles Wissen, alle Vorsätze, alle Vereinbarungen nichts – es muss einfach JETZT aufhören.

Ein Freund, ein guter Freund …

Ähnlich wie bei der Depression fällt es mir auch hier leichter, diesen Impulsen in Gegenwart von anderen Menschen zu widerstehen. Schwierig wird es erst wieder, wenn ich alleine bin. Alleine mit meinen Gedanken. Alleine zuhause sitze. Alleine im Supermarkt einkaufe, alleine an der Tankstelle vorbeifahre, alleine im Bahnhofskiosk stehe – dort dann vor den mir so vertrauten Kühlregalen mit den so vertrauten Dosen und Schriftzügen stehe, die mir wie alte Freunde zurufen und mich einladen, mal wieder eine gute Zeit zusammen zu haben.

Denn das habe ich vor Kurzem erst so richtig begriffen: der Alkohol hat in den letzten Jahren vieles übernommen, was bei anderen Menschen Freunde tun. Für mich da sein – wann immer ich ihn brauche. Zuverlässig. Ohne Widerrede. Und vor allem, ohne dass ich das Gefühl habe, in seiner Schuld zu stehen oder ihm zu Last zu fallen. Er nimmt mich, wie ich bin. Wenn ich mich verletzt, einsam, traurig, verloren, hoffnungslos fühle – dann greife ich nicht nach anderen Menschen, sondern zum Glas.

Das ist ein Muster, das lange Zeit hatte, sich zu etablieren. Und es braucht Kraft und Willen und Geduld, um dagegen anzukämpfen und zu lernen, dem Impuls nicht mehr nachzugehen, wenn es schwierig wird. Aber ich merke, wie viel ich darüber schreiben könnte – und es tun will und muss und werde.

An dieser Stelle muss das aber erstmal reichen. So lange habe ich diesen Teil von meinem Trio Infernal nicht aus der Deckung gelassen, da muss ich mich jetzt erstmal dran gewöhnen. 

Eine kleine große Bitte!

So ist es also in meinem Kopf. Dann müssen wir jetzt nur noch klären, wie du jetzt damit umgehst. Mit meinen Worten und dem Wissen, das gerade mal an der Oberfläche kratzt. Weil diese paar Zeilen nur den Anfang vom Ende der Ahnungslosigkeit darstellen können. Was ich dir aber auf jeden Fall mit auf den Weg geben kann:

Wenn sich jemand dir öffnet, um über seine psychischen Probleme (gilt im Grunde natürlich eigentlich für alle Probleme) zu reden, dann sag nicht „Oh das kenn ich, ist bei mir auch so!“ Bitte. Niemals. Auch keine Variation dieses Satzes. Bitte. Es ist mit das Schlimmste, was du mir als Betroffener antun kannst.

Denn du weißt es einfach nicht. Du weißt nicht, wie es sich anfühlt, in meinem Kopf zu wohnen. Wie es ist, jeden Tag aufs neue deine unfreiwilligen Bahnen auf der Borderline-Achterbahn zu drehen. Was es bedeutet von deiner Depression auf die Couch gedrückt zu werden und den Weg ins Badezimmer nicht mehr zu schaffen. Dir einzugestehen, dass dein Leben von einer Droge beherrscht wird. Du weißt es einfach nicht. Und das freut mich natürlich für dich.

Über diese Dinge zu reden, ist schwer. Wenn jemand dich daran teilhaben lässt dann liegt das sehr wahrscheinlich daran, dass du irgendwas verdammt richtig gemacht hast! Mach dir oder euch das nicht durch einen einzelnen, unüberlegten Satz kaputt.

Meine Reaktion auf diesen Satz ist eine Mischung aus unbändiger Wut, sau viel Trotz, ordentlich Schmerz und dem Impuls, mir und dir jetzt sofort zu beweisen, wie scheiße es mir geht. In der Vergangenheit hat das oft zu einer gehörigen Einheit Selbstschädigung geführt, von der ich dann aber nicht möchte, dass sie jemand bemerkt oder mitbekommt, wie scheiße es mir geht weil ich ja funktionieren will und nicht möchte, dass jemand merkt, wie schlecht es mir geht oder die richtig falschen Fragen stellt… – ihr seht das Dilemma.

Es ist gar nicht so schwer

Du musst gar nicht viel machen. Eigentlich vor allem zuhören. Vielleicht nachfragen. Kaum ein Betroffener wird von dir die ultimative Lösung erwarten. Denn darum geht es nicht. Es geht darum, einfach da zu sein. Mit den Ohren, mit dem Herzen, mit den Augen, mit den Gedanken – mit allem.

Versuche, dich für ein paar Minuten zurück zu stellen. Sei ganz bei dem Menschen, der sich dir gerade anvertraut. Der gerade Dinge mit dir teilt, die sich nicht leicht teilen lassen.

Der zweite Teil meiner Bitte: keine Sätze in Richtung „Jetzt reiß dich doch mal zusammen!“ – „Hör doch mal auf damit!“ – „Das wird schon wieder!“ Ich weiß, im Zweifelsfalle sind diese Aussagen nur gut gemeint. Ausdruck von Ahnungs- und/oder Hilflosigkeit. Darum mein Rat:

Bevor du so etwas sagst stell dir die Frage: würde ich das gleich zu jemandem sagen, der eine körperliche Erkrankung hat? Würde ich einem Diabetiker um die Ohren hauen, er solle jetzt doch endlich mal damit aufhören, ständig den Blutzucker zu messen und sich Insulin zu spritzen, weil er das jetzt schon seit Monaten macht? Würdest du einem Freund mit gebrochenem Bein den Mund verbieten, über seine Schmerzen zu klagen? Ich glaube nicht.

Jemandem mit psychischen Krankheiten zu sagen „Du musst es nur wollen!“ in jedweder Variation und Abwandlung ist wie einem Asthmakranken zu sagen, er solle doch einfach mal ordentlich durchatmen oder einem Krebspatienten zu sagen, wenn er es wirklich wollen würde dann könnte er ja gesund werden. Absurd? Stimmt – aber genau dieser Fehler wird tagein tagaus im Umgang mit Depressiven, Abhängigen, Persönlichkeitsgestörten und all ihren und meinen Leidensgenossen begangen.

Aber Moment mal!!!

Einige von euch werden sich beim Lesen des letzten Absatzes genau das gedacht haben: „Moment mal! Ich bin selber Borderliner/depressiv/abhängig/sonst-wie-geschädigt.“ Dann gilt der vorherige Absatz trotzdem auch für dich! Denn auch wenn zwei Menschen die gleiche Diagnose teilen heißt das noch nicht, dass sie sich gegenseitig in die Köpfe gucken können. Die Dämonen darin können ganz verschieden aussehen.

Versuche auch in dem Fall, dich erstmal zurückzuhalten mit deiner eigenen Geschichte. Konzentriere dich auf den „Ich-bin-für-dich-da“-Teil. Und erst, wenn du das Gefühl hast, dein Betroffener ist alles losgeworden, was rausmusste kannst du anfangen, von dir zu erzählen.

Dass du erahnen kannst, durch welche Höllen dein Gegenüber gerade geht; wie die Gedanken aussehen, die sein Leben gerade ins Schwarz ziehen; wie sich der Bleiumhang anfühlt, der sich mit der Depression um einen Menschen legt.

Die Kommunikation zwischen zwei Menschen, die ähnliches hinter sich haben, ist eine ganz andere. Nicht nur wenn es um psychische Krankheiten geht. Beispiel Reisen. Zwei Menschen, die das selbe Land besucht haben werden anders darüber reden als einer, der schon da war und einer, der noch nie da war. Man hat eine andere Ausgangsebene. Gewollt oder nicht stellt sich augenblicklich eine unsichtbare Verbindung her.

Es kann ein großes Geschenk, eine große Erleichterung sein für einen Betroffenen, der gerade mitten in einer Krise, einem Loch, einem Tal steckt jemanden vor sich zu haben der sagt „Ich war auch schon mal da unten. Und ich habs rausgeschafft. Du kannst das auch!“ Nutzt dieses Erfahrungsschatz!

Aufruf an alle

Damit sich das ändert müssen wir zusammen arbeiten. Und hier wende ich mich vor allem an alle meine CoWarriors da draußen! Fragen werden eigentlich genug gestellt. Nicht immer laut. Manche nur verborgen hinterm Schädelknochen. Aber sie werden gestellt. Und die Antworten können nur wir liefern.

Helft mit, Ahnung zu verbreiten. Lasst die Menschen teilhaben an dem, was in euren Köpfen vor sich geht. Helft mit, ihnen ein Bild davon zu geben, wie sich Borderline/Depression/Sucht anfühlt.

Mir fällt der Vergleich zur Fotografie ein. Der analogen. Helft mit, ein Bild zu entwickeln. Im Moment halten die meisten Menschen nur ein unfertiges Negativ in der Hand, wenn sie im Album ihres Kopfes zum Kapitel „psychische Erkrankungen“ blättern. Lasst uns zusammen dran arbeiten, dass dieses Bild immer schärfer wird. Immer kräftiger. Immer näher an die Realität kommt.

Jeder Abschnitt dieses Doppel-Posts hätte ein eigener Beitrag werden können. Aber genau deswegen, weil sich das alles nicht mal eben schnell neben her in drei Sätzen rüberbringen lässt ist umso wichtiger: Wir müssen reden!

„Ihr habt doch keine Ahnung!“ – Teil 1

Lesezeit: 9 minuten

„Ihr habt doch keine Ahnung!“ – Teil 1

So ein kleiner Satz. Mit so großer Wirkung.

Was ich damit meine und wo das Problem liegt, lest ihr im ersten Teil dieses Posts. Genauso wie einen Versuch, das zu ändern.


„Du hast doch keine Ahnung!!!“ Fünf Wörter. Fünf kleine Wörter, die ganz viel kaputt machen können. Ich kann euch gar nicht sagen, wie Leid ich diesen Satz bin. Wie sehr ich ihn gerne packen und aus der deutschen Sprache verbannen möchte. Da versucht jemand, eine Brücke in unsere Köpfe zu bauen und wir nehmen diese verbalen Sprengladung und zerfetzen das Fundament bevor es überhaupt trocken ist.

Und doch habe ich ihn selber schon oft gesagt. Und noch viel öfter gedacht.

Mir fehlen die Worte …

Ja, es ist schwierig zu beschreiben, wie sich Borderline anfühlt; was Depression mit einem macht; was mit dir passiert wenn die Sucht dich fest im Griff hat.

Das erklärt man nicht mal eben so nebenbei.

Und man kann es manchmal auch einfach nicht. Wenn Wille und oder Kraft fehlen.

Mal ist die Kraft da, aber kein Wille. Wenn man gerade eine gute Phase hat. Und man einfach mal nicht dran denken möchte, wie es sich „dort“ anfühlt.

Mal ist der Wille da, aber keine Kraft. Dann möchte man sich so gerne mitteilen. Die eigene Welt erklären. Die Gefühle in Worte packen – aber allein die Vorstellung, einen Satz zu sprechen oder schreiben ist so kraftraubend, dass der Wille hinter der dunklen Wand und im Kopf eingesperrt bleibt.

Mal ist weder Wille noch Kraft da. Wenn man grad mitten drin steckt, dann hat man andere Sorgen als sich erklärende Worte abzuringen. Wenn der Kampf mit diesen Krankheiten dich anstrengt und aussaugt.

Und wenn Kraft UND Wille da sind? Dann fehlt eigentlich nur noch das richtige Gegenüber. Aber auch das ist gar nicht so einfach.

Es gehören immer zwei dazu

Jeder Betroffene hat wohl schon diese Gespräche hinter sich, die zu nichts geführt haben. In denen man versucht, jemandem zu erklären, was im eigenen Kopf passiert. Obwohl man es selber nicht versteht. Und immer wieder dran scheitert, dass es einfach keine richtigen Worte zu geben scheint. Keine Worte die dem Gegenüber wirklich vermitteln könnten, wie es sich anfühlt.

Oft enden diese Gespräche entweder mit gut gemeinten aber schwerst verletzenden Worten von Seiten des Angehörigen wie „Das wird schon wieder!“ – „Du musst einfach ein bisschen mehr Sport machen.“ – „Hast du es denn schon mal mit autogenem Training versucht?“ – „So schlimm kann das doch gar nicht sein – stell dich nicht so an!“ – „Hör doch einfach mit dem Grübeln/Trinken/Hungern/Ritzen auf!“.

Oder sie enden mit resignierten und manchmal ebenso verletzenden Worten von Seiten des Betroffenen. Weil es manchmal einfach die einfachere Lösung ist. Und dann wird sie doch wieder gezückt, die geheime Wortwaffe „Du hast ja keine Ahnung!“

Reinlassen statt Aussperren

Wir Betroffenen wissen, dass diese Worte praktisch niemals ihre Wirkung verfehlen. Wir sind gut darin, mit diesem Satz ganze Gespräche nie stattfinden zu lassen – oder sie zu einem jähen Ende zu bringen. Ich schreibe das nicht, weil ich stolz auf diese Tatsache bin. Oder weil ich sie richtig finde. Im Gegenteil.

Ich möchte, dass sich das ändert! Denn wenn jeglicher Austausch gezielt und mit sofortiger Wirkung unterbunden wird, wenn ernstes Interesse in wenigen Sekunden zerstört wird. Dann ist das nicht nur schade. Sondern es schadet. Demjenigen, dem wir den Satz an den Kopf werfen. Der Beziehung zu diesem Menschen. Und uns Betroffenen.

Was soll jemand ohne Depression, ohne Borderline, ohne Sucht denn darauf antworten?! Denn es stimmt ja. Die meisten Menschen wissen nicht, wie es sich anfühlt eine psychische Erkrankung zu haben. Sie haben wirklich keine Ahnung, wie sich der täglich wiederkehrende Kampf mit dem eigenen Kopf, mit dem eigenen Dasein anfühlt. Gott sei Dank!

Und es ist nicht ihr Fehler, dass das so ist. Und vor allem muss es nicht heißen, dass sie sich nicht dafür interessieren. Ich weiß auch nicht wie es sich anfühlt, ein Flugezeug zu fliegen bis ich mich mit einem Piloten unterhalte – und er mich teilhaben lässt. Ich weiß auch nicht, wie die Welt aus deiner Perspektive aussieht – egal ob du psychisch krank oder gesund, Pilot oder Eisverkäufer bist. Tatsache ist nun mal leider, dass wir nicht in unsere Köpfe gucken können. Also hilft nur eins: reden!

„Du hast doch keine Ahnung!!!“ Hinter dem Satz steckt eine ganze Wand an Gefühlen und Gedanken. Bitterkeit. Wut. Schmerz. Vorwürfe. Erschöpfung. Frust. Manchmal auch Stolz. Nicht verstanden werden wollen. Sich selber für so kaputt und krank zu halten, dass man über den Dingen steht. Genau so gut kann er aber auch zum Selbstschutz dienen.

Aber egal, aus welchem Grund er ausgesprochen wird: in den meisten Fällen folgt darauf betretenes Schweigen und ein holpriger Themenwechsel. Dabei wäre genau jetzt eine tolle Gelegenheit gewesen, die Wand abzutragen. Die schweren, undurchsichtigen Steine durch leichtes Glas zu ersetzen.

Willkommen auf der Grenze

Und wo wir gerade so nett beieinander sitzen lege ich doch gleich mal damit los, die Wand in meinen Kopf ein bisschen durchsichtiger für euch zu machen. Mir ist schon klar, dass das ein ganz schön schwieriges Anliegen ist. Aber davon lassen wir uns nicht entmutigen, oder? Im Grunde ist diese ganze Seite ja ein Blick hinter die Kulissen einer „Gestörten“; der Versuch euch mit Worten eine Brücke in meinen Kopf, in meine Welt zu bauen.

Fangen wir mit der Borderline an. Denn dieser Blog hat ja auch mit Borderline angefangen. Und ich habe auch schon viel über die einzelnen Symptome geschrieben – wie sie sich für mich anfühlen, wie sie sich auf mein Leben auswirken. Die vier, die mich im Alltag am meisten Energie und Kraft kosten sind

Viele Worte werde ich an dieser Stelle gar nicht über dieses Quartett verlieren – besser als in den jeweiligen Artikeln werde ich es kaum beschreiben können. Ich möchte lieber ein bisschen genereller werden.

Denken à la Borderline

Denn ob Wut oder Gefühle oder Selbstwahrnehmung – allen Symptomen gemein ist die Schwarz-Weiß-Problematik. Das Ganz-oder-gar-nicht-Problem, dass so typisch für Borderline ist. Meine Welt besteht aus Extremen. Dinge sind entweder Tiefschwarz oder strahlend weiß. Grautöne gibt es nicht. Liebe oder Hass.

Wenn ich etwas fühle oder denke, dann ist das absolut. Ich finde mich großartig (leider viel zu selten) oder ich verabscheue mich (leider viel zu oft); bin verzweifelt oder euphorisch; depressiv oder glücklich; finde ein Lied/einen Film/einen Ort grandios und möchte nicht loslassen oder verabscheue aus tiefstem Herzen; bin bis zum Rand mit Wut gefüllt – oder komplett leer. Auf einer 45-minütigen Fahrt mit dem Fahrrad kann ich das komplette Gefühlssprektrum mehrmals rauf- und runter durchleben. Von Suizidalität bis zum Glücksrausch.

Und wenn ich auf der einen Seite der Waage stehe, dann sehe ich die andere Seite nicht mehr. Der Abstand dazwischen ist unüberwindbar. Auch wenn ich innerhalb von Millisekunden wieder rüber gehüpft sein könnte. Wenn ich eine gute Phase habe, kann ich mir nicht mehr vorstellen, wie es ist, hoffnungs- und antriebslos auf der Couch zu sitzen. Wenn ich hoffnungs- und antriebslos auf der Couch sitze kann ich mir nicht mehr vorstellen, wie es sich anfühlt, eine gute Phase zu haben.

Gehirn auf der Überholspur

Für mich bedeutet Borderline, keine Kontrolle zu haben. Keine Ahnung wer da am Steuer der Achterbahn sitzt. Ich bin es jedenfalls selten. Meistens fühle ich mich wie ein Spielball meiner Empfindungen, Gedanken und Gefühle. Ich verstehe oft selber nicht, warum ich dies oder jenes gedacht/gesagt/getan habe; kann den heftigen Stürmen in mir drin oft selber keinen Namen geben; versuche einfach nur, irgendwie durchzukommen. Weiß nicht was als nächstes passieren wird.

Und die Achterbahn fährt schnell. Mein Borderline-Gehirn läuft pausenlos auf 200%. Gefühle, Gedanken, Emotionen, Bilder, Reize, Eindrücke – alles prasselt unaufhörlich und ungefiltert in doppelter Stärke auf mich ein. Ohne Pause. Nicht nur von außen. Sondern vor allem auch von innen.

Manche Leute sagen, es ist faszinierend, was ich alles mitbekomme; dass ich so ziemlich jeden Satz höre, der in einem 10-Meter-Radius um mich herum gesagt wird. Ja. Wirklich ganz toll *Sarkasmus*. Nur blöd dass das nicht nur mit Sprache, sondern mit allem anderen so ist – ob das Blicke, Emotionen oder Spannungen sind.

Meine Antennen sind einfach extrem fein eingestellt. Und die Filter im Gehirn, die bei „normalen“ Menschen dafür sorgen, dass nur das ins Bewusstsein tritt, was in dem Moment wichtig ist, die funktionieren bei mir anders. Die lassen mehr durch.

Film im Kopf

Kennt ihr diese Filmszenen, in denen zehn Leute auf eine Person einreden? Oft während der ganze Tross in hohem Tempo endlose Gänge entlang geht. Im Zentrum ist die Hauptfigur, von der alle etwas wissen wollen. Antworten brauchen. Fragen haben. Entscheidungen erwarten. Jeder hält sein Anliegen für das wichtigste, jeder versucht den Rest zu übertönen. Worte fliegen durcheinander. Handys werden in Sichtfeld gehalten. Mit Unterlagen gewunken.

Und dann biegt die Hauptfigur plötzlich ab. Ohne Vorwarnung. Geht durch eine Tür. Im klassischen Fall eine Toilettentür. Geht in eine Kabine. Schließt sich ein. Atmet tief durch. Und der Tross bleibt draußen.

Ein bisschen so ist es in meinem Kopf. Nur dass nicht immer eine Tür da ist, wenn ich eine brauche.

Seit ich das verstanden habe sind mir einige Sachen klarer geworden. Zum Beispiel warum soziale Situationen mit vielen Menschen mich so schnell überfordern. Warum so schnell alles zu viel wird und ich alles dafür tue, um auch nur für einen Moment ausbrechen zu können. Der Dauerflut für ein paar Augenblicke Einhalt gebieten – und sei es, dass ich kurz aufs Klo verschwinde. Es ist einfach zu viel. Ein Berg aus Reizen, der mich nach und nach unter sich begräbt.

Schnitt und aus 

Ich verstehe langsam, warum Meditation mir so gut tut. Warum ich gerne zwei Stunden alleine an der Isar laufen gehe. Warum ich manchmal meine Kopfhörer so laut mache, dass  keine Geräusche von außen zu mir durch können. Es sind Möglichkeiten, meinem überaktiven Kopf ein bisschen Ruhe zu gönnen. Die Reizüberflutung für eine gewisse Zeit zu dämmen.

Für diese Zeit fühlt es sich an, als hätte ich wenigstens eine Hand an der Steuerung der Achterbahn. Dann verliert sie an Tempo. Ich kann mich und das Chaos aus Reizen sortieren. Kraft tanken. Durchatmen.

Und dann kann ich auch wieder eine Weile über endlose Gänge laufen, mich dem Reizgewitter aussetzen. Bis zur nächsten Klopause.

Wenn ich das nicht mache, mir keine Auszeiten nehme, in denen ich sortiere, ruhe, runterfahre – dann steigt die Anspannung. Und die kurze Klopause reicht nicht mehr. Dann müssen drastischere Mittel zum Runterfahren her. Zum Beispiel Selbstverletzung. Oder Alkohol. Oder irgendeinem anderen schädlichen Impuls nachgehen.

Ein Ende der Ahnungslosigkeit

Jetzt aber mal genug von mir. Jetzt geht es um euch.

Zuerst: Meine lieben MitBorderliner und MitBorderlinerinnen, Co-Depressiven und Abhängigen – ich weiß wie verflucht schwer es ist, über all diese Dinge zu reden. Aber es zu tun macht nicht nur eurem Umfeld das Leben einfacher, sondern vor allem auch euch selbst.

Je mehr die Menschen um euch rum über euch und eure Krankheit wissen desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie angemessen mit dem Thema umgehen.

Und ja, es gibt Zeiten da ist es schon ein Erfolg, wenn man wenigstens „Du hast ja keine Ahnung!“ über die Lippen oder die Tastatur bringt. Aber ich rate und bitte euch: versucht einen Weg zu finden, anderen Menschen zu erklären, wie ihr euch fühlt. Sucht Bilder und Wege, die zu euch passen. Sprecht auf Band, macht Notizen, malt euer Innenleben. Baut Brücken.

Und: wartet nicht darauf, dass jemand die richtigen Fragen stellt, das richtige sagt, die richtige Vermutung hat! Nur weil ihr etwas denkt ist das für andere noch nicht sichtbar. Wir gehen viel zu oft davon aus, dass unser Umfeld doch wissen müsste, was in unseren Köpfen vorgeht. Dem ist aber nicht so! Sprecht die Dinge aus, egal wie selbstverständlich sie für euch sind. Für euer Gegenüber können sie ganz neu sein.

Versucht zu zeigen, wenn ihr bereit seid zu sprechen. Eröffnet eurem Umfeld die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Kommuniziert klar, was gerade geht und was nicht. Ihr müsst nicht in einem Gespräch alles erklären. Das geht auch nach und nach. Wichtig ist, dass wir damit anfangen!

Und an alle Angehörigen, Freunde, Partner und Interessierten: seid nicht verletzt, wenn eure Fragen, Sorgen oder Ratschläge nicht immer gleich im richtigen Ziel landen. Wenn ihr den „Du hast doch keine Ahnung!“-Joker zu hören bekommt. Werdet nicht böse oder reagiert eingeschnappt oder mit irgendeiner Floskel.

Atmet tief durch und sagt etwas wie „Es ist ok, wenn du jetzt gerade nicht reden willst. Und wahrscheinlich hast du recht, dass ich keine Ahnung habe wie du dich fühlst. Aber ich würde es gerne wissen. Und wenn du bereit bist, mir zu erklären wie das für dich ist, dann werde ich dir zuhören!“

Borderline ist erst der Anfang

Bevor es in die Werbepause vor Teil 2 geht muss ich noch eine Sache loswerden: Ja, mit Borderline hat alles angefangen. Je mehr ich aber schreibe und mich mit mir und „meinen“ Themen beschäftige desto deutlicher sehe ich, dass da noch so viel mehr ist.

Nicht nur, dass ich auch den anderen beiden Diagnosen, die einen großen Einfluss auf mein Leben haben, mehr Raum hier auf dieser Seite geben muss und will. Sie sind beide sowieso schon immer wieder hier und dort am Rande und in den Texten aufgetaucht – die Depression. Und auch die Sucht – die Abhängigkeit von Alkohol. Da werde ich in Zukunft wohl ein paar Worte mehr drüber verlieren.

Aber da  hört der Spaß noch nicht auf! Denn eigentlich geht es mir darum zu ändern, dass und wie wir über Borderline sprechen, sondern über psychische Krankheiten generell. Das ist ein Grund, warum ich meine Themen in Zukunft wohl immer weiter fassen werde. Natürlich habe ich zu „meinen“ Diagnosen einen besonders guten Zugang. Und sie werden weiter meinen Alltag beeinflussen. Und somit auch das, worüber ich schreibe.

Aber die Sache ist noch viel größer.

Schluss mit dem Tabu

Psychische Erkrankungen sind in unserer Gesellschaft immer noch und weiterhin ein großes Tabuthema – wenn sie nicht gerade in Trendumhänge gehüllt werden und schicke Namen bekommen. Wir reden über alles: Sex, Geld, Religion, unseren charmanten Darm – aber sobald es um die Innereien unseres Kopfes geht, hört der Spaß auf.

Da wird lieber ausgegrenzt statt zusammen gelebt. Lieber geschwiegen als offen geredet. Lieber Ausreden gefunden statt die Wahrheit zu sagen. Kurz gesagt: es wird fleißig und auf allen Ebenen stigmatisiert.

Meiner Meinung nach stecken aber selten böse Absichten dahinter. Sondern Unsicherheit. Unwissen. Nicht wissen, was man sagen soll. Nicht wissen, wie man sich verhalten soll. Dann lieber gar nichts sagen. So tun als ob. Auf Abstand gehen. Wegschauen.

Reden hilft!

In meiner Bachelorarbeit habe ich mich damit beschäftigt, wie man verhindern kann, dass Jugendliche psychisch kranke Menschen stigmatisieren. Und siehe da: es ist gar nicht so schwer. Man muss sie nur aufklären! Ihnen Wissen vermitteln. Fakten liefern, Erklärungsmodelle erläutern, Zusammenhänge aufzeigen. Ermöglichen, offen Fragen zu stellen.

Studien zeigen, dass Schüler, die an solchen, z.T. nur eintägigen Interventionen teilgenommen haben auch Jahre später andere Einstellungen zu Menschen haben, die psychische Probleme haben (ein Grund, warum ich mich bei Verrückt? Na und! engagiere).

Also Leute! Lasst uns was ändern! Lasst uns reden (Betroffene) und zuhören (alle anderen) – und wenn ich alt bin und im Schaukelstuhl sitze möchte ich auf diesen Artikel zurückblicken und fassungslos freudig den Kopf schütteln, wie zurückgeblieben die Menschen doch 2017 waren, wenn es um Psyche ging.

In Teil 2 dieses Post versuche ich, euch eine Ahnung von meiner Depression und meiner Abhängigkeit zu geben. Außerdem gibt’s ein paar mehr Ideen und Vorschläge, wie wir uns gemeinsam aus diesem Dilemma rausholen.