Singapur | ordentlich. teuer.

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Singapur | ordentlich. teuer.

Eine Stadt in den Wechseljahren. Keine Fahrräder, Hunde oder Dreck. Dafür Kameras, Regeln und ein Feeling wie in „1984“. Viel Asien erwartet uns hier noch nicht. Asien light beschreibt es dagegen ganz gut. Hat Vor- und Nachteile im bekannten Unbekannten zu starten.

Orchard Road bei Nacht | Lichtspektakel & Konsumwahnsinn

Spaziergang über die Orchard Road am ersten Abend. Malls und Weihnachtsdeko leuchten um die Wette. Das macht die Stimmung recht schön. Bei Tageslicht sieht die Sache dann leider ganz anders aus.

Noch ist THE|trip keine Woche alt – und endlich schaffe ich es, euch einen ersten BlogPost zu überbringen. Die ersten Tage waren so voll Jetlag, Ankommen und Reinfinden, dass kaum Zeit und Energie für RechnerArbeit war. Dafür jetzt.

Singapur also. Gut, heil und voller Erwartungen gelandet. Danke, liebe Qatar, für diesen wirklich wundervoll ruhigen, entspannten und bequemen Tranport über den halben Erdball. Nur zu empfehlen.

Ich muss zugeben, zum Eingwöhnen ins Reiseleben haben wir in Singapur keine großen Abenteuer gewagt. Sondern uns eher an ausgetretenen Touri-Pfaden entlang gehangelt. Von der Mega-Mall-Meile Orchard-Road über Chinatown mit buddhistischem Tempel bis zum entspannten Grün und einem tollen Ausblick an der Marina Bay. Bevor ich euch darüber trocken zuschreibe, lasse ich Bilder samt Unterschriften lieber für sich sprechen.

Kulturtausch in Perfektion

Beim Gang durch die Stadt und ihre Läden fällt mir auf jeden Fall auf, wie paradox die Globalisierung unsere Welt verwoben hat. Hier scheint man an jeder Ecke und Kante den westlichen Lebensstil zu idealisieren. Restaurants und Essensstände, die westliches Essen anbieten, sind deutlich besser besucht als die Anbieter asiatischer Küche. Von Locals, nicht von Touris. In den Drogerieabteilungen gibt es Regale voller Produkte, welche die Haut weißer machen. Auf den Plakaten präsentieren fast ausschließlich langnasige Models Marken und Waren. European und Western scheinen Zauberworte zu sein.

Bei uns in Deutschland scheint mir die Sache genau anders herum zu funktionieren. Alles was asiatisch ist, wollen wir. Achtsamkeit, Meditation, Buddhismus, Zen, Yoga, Sushi und Co sind extrem angesagt. Gerne möchten wir diese Dinge in unserem Leben haben. Der Mensch strebt wohl einfach gern nach dem, was er nicht hat. Ich schließe mich da nicht aus.

Ein bisschen macht mir das Angst. Wenn ich bedenke, wie es in dieser Stadt wohl vor 20 Jahren ausgesehen hat. Und dann heute. Wie sieht es wohl in weiteren 20 Jahren aus? Ich vermute, dass die Unterschiede und Eigenheiten – zumindest aus den Städten – immer mehr verschwinden werden und man irgendwann überall auf dem Planeten ohne Probleme die gewohnte Zahnpasta und das Lieblingsessen finden wird. Da wird wohl viel verloren gehen für den Preis von weltumspannenden Widererkennungswerten.

Open-Air-Dusche und alles schön sauber. Das macht das Ankommen leicht.

Open-Air-Dusche und alles schön sauber. Das macht das Ankommen leicht.

Wechseljahr-Simulator

Man erwartet es, aber trotzdem sind wir überrascht: die Klimaanlagen. Es ist faszinierend. Ich kann verstehen, dass man nicht überall schwüle 30 Grad und mehr ertragen möchte. Aber warum sämtliche Innenräume auf 20 oder gar 18 Grad runtergekühlt werden müssen – das will noch nicht so richtig in meinen Kopf. Klingt im ersten Moment nicht kalt, aber im Gegensatz zu den Außentemperaturen haut es uns jedes Mal um. Rein – Raus – Rein – Raus | Kalt – Heiß – Kalt – Heiß.

Arvid ämusiert sich köstlich, wenn wir eine Mall, einen Laden, einen Bahnhof oder ähnliches verlassen und uns estmal ausziehen. Beim Rausgehen. Kennen wir irgendwie anders von daheim. Wir wissen noch nicht, ob unsere Körper sich bald daran gewöhnen werden. Die Einheimischen lassen sich auf jeden Fall nichts anmerken. Eine meiner Theorien ist, dass die Stadt will, dass man nie zu lange an einem Ort bleibt. Zu warm draußen, also schnell rein, wo es kühl ist. Zu kühl, also schnell wieder raus, da ist es wärmer.

George Orwells Traumstadt

Und wo wir gerade dabei sind: die Stadt scheint so einiges zu wollen. Dass es hier viele Verbote gibt, liest man vorher oder bekommt es erzählt. Wie ausgeprägt diese Verbotswelt allerdings ist, begreift man erst, wenn man durch die Straßen geht.

Arvid hat passende Parallelen zum Roman „1984“ gefunden: Wir geben dir die perfekte Stadt. Wir regeln alles für dich. Sauberkeit, Ordnung, Verhalten. Im Gegenzug darfst du nur nicht gegen unsere Regeln verstoßen. Aber auch das übernehmen wir. Wir achten auf dich. Immer. Und überall.

Ja, dieser Mann wischt den Gehweg.

Ja, dieser Mann wischt den Gehweg.

Denn es sind tatsächlich überall Kameras. Und jeden Tag lernt man neue Verbote kennen. Nicht überall rauchen ist verständlich und bekannt. Keinen Kaugummi kauen kennt man aus dem Reiseführer. Aber dass auch Haustiere verboten sind, bestraft wird wer die Toilette nicht spült und praktisch nirgendwo gegessen und getrunken werden darf – daran muss man sich gewöhnen. Die Angst, irgendetwas falsch zu machen, wird zum ständigen Begleiter. „Küssen? Dürfen wir das hier im MRT? Lieber lassen.“ Denn die Strafen sind ja auch nicht gerade läppisch. Von mehreren Hundert Singapur Dollar bis zu mehreren Jahren im Gefängnis. Muss man ja nicht alles ausprobieren.

Das Ganze führt in jedem Fall zu einem wirklich fast makellosen Stadtbild. Allerdings kommt einem die Abwesenheit von Fahrrädern und Vierbeinern auch irgendwie komisch vor. Selbst der Verkehr ist so gut durchorganisiert, dass es trotz 5 Millionen Einwohnern keine Staus gibt. In den öffentlichen Nahverkehrszügen ist deutlich markiert, wo man zu stehen und zu gehen hat. Überall gibt es Wachleute, Aufpasser und Security. Echte Polizei haben wir – vor den Kameras – dafür praktisch keine gesehen.

 

Fazit: Asien Light – Singapur Light

Unsere Meinung über ist daher auch gemischt. Es ist eine Großstadt wie viele andere. Allerdings mit viel Grün und einer wirklich bunten Kultur und Gesellschaft. Verschiedenste Religionen und Weltanschauungen, Generationen und Lebensvorstellungen treffen aufeinander. Jeder darf sein und machen, wonach ihm ist. Solange es gegen kein Gesetzt verstößt.

Vieles hier ist noch bekannt. Englisch ist quasi Stadtsprache, zwar neben drei anderen offiziellen aber im Alltag bzw. in der Innenstadt sieht und hört man kaum andere Wörter. In den Läden kennt man mindestens 80% der Marken. Was wirklich schade ist, nachdem man doch immerhin den Globus ein gutes Stück unter seien Füßen bewegt hat. Auch bei den Preisen muss man sich noch nicht allzusehr umgewöhnen. Die Stadt ist für asiatische Verhältnisse sehr europäisch. Also teuer – da freut man sich dann wieder aufs Weiterreisen. Ins „richtige“ Asien.

Noch können wir wählen zwischen sitzen und hocken | die Frage nach der hygienischeren Lösung stelle ich nicht

Noch können wir wählen zwischen sitzen und hocken | die Frage nach der hygienischeren Lösung stelle ich nicht

Auf der anderen Seite macht einem der gewohnte Komfort das Ankommen natürlich etwas leichter. Auch wenn er den eigentlichen Asien-Kultur-Schock nur um ein paar Tage nach hinten verschiebt. Wir versuchen uns schon mal an einige Dinge zu gewöhnen, die uns in den nächsten Wochen das Leben leichter machen werden. Zähne putzen nicht mit Leitungswasser, vorsichtiger werden beim Essen werden und ein Gespür für die Menschen hier zu bekommen.

Klar ist, dass wir nach nur drei Tagen hier die Stadt nur sehr oberflächlich kennen lernen konnten. Mein Gefühl sagt mir aber, dass es eigentlich zwei Singapurs gibt:

Einmal das schöne, neue, glänzende Singapur der Wolkenkratzer und High-Society. Schein zählt mehr als Sein. Deine Adresse, dein Auto und deine Kleidung müssen stimmen, damit du auf die schönen Dachterassen eingeladen wirst.

Vorne Hui - hinten Pfui. Die Rückseite der Touri-Fress-Meile am Clarque Bay.

Vorne Hui – hinten Pfui. Die Rückseite der Touri-Fress-Meile am Clarque Bay.

Wer als Tourist das entsprechende Kleingeld hat, kann für seinen Aufenthalt Teil dieses Singapurs werden.

Und dann das andere Singapur. Dass der Arbeiter und normalen Leute. Die zwar durch die selben Straßen gehen wie die Oberen, aber in einer eigenen Stadt leben. Die Welten treffen sich, wenn die Kleidung, das Auto oder der Pool gereinigt werden muss. Ansonsten gibt es nicht viele Schnittstellen.

Von diesem zweiten Singapur hätte ich gerne mehr gesehen. Denn ich vermute, dass ich mich dort um einiges wohler fühlen würde, als im perfekten Glanzpalast, der die Stadt so gerne sein möchte. Allerdings hilft Geld hier nicht. Um Teil dieser „Subkultur“ zu werden, braucht es die richtigen Menschen. Leider haben wir diese bei unserem ersten Aufenthalt noch nicht gefunden. Aber wir haben ja noch eine zweite Chance, wenn wir wieder abfliegen.

Blick zurück in die Zukunft

Und auch darauf sind wir schon sehr gespannt. Wie der zweite Aufenthalt in vier Monaten in Singapur wohl sein wird. Werden wir uns darauf freuen, in eine „richtige, saubere, westliche“ Stadt zu kommen? Werden wir extra lange hier verbringen wollen? Oder werden wir genervt sein von der Aussicht, in diese 1984-Stadt zurückzukehren und den Aufenthalt so kurz wie möglich halten?

Werden wir zurück blicken und sagen „Weiß du noch, damals, wie doof wir uns angestellt haben? Kannst du glauben, dass wir dies und das gemacht haben?“

Reist mit uns und ihr werden die Antwort vielleicht sogar früher wissen, als wir selber.

1 Kommentar

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  1. […] macht ja bekanntlich klüger. Und ein bisschen was haben wir schon gelernt auf unserer Reise. Dass Singapur nicht repräsentativ für Asien ist, habe ich schon ganz am Anfang ausführlich ausgeführt. Hier […]

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